Ich wuenschte, ich koennte dich hassen
starr und entschlossen, das Gesicht eines Mörders. »Du kennst nicht die ganze Geschichte.«
»Will ich auch gar nicht.«
Du hast den Pinsel auf den Boden fallen lassen und mit drei großen Schritten den Raum durchquert. Ich kroch rückwärts am Boden entlang Richtung Tür. Aber du beugtest dich herunter und schnapptest mein Bein.
»Lass mich gehn!«
Du zogst mich zu dir. »Das tu ich nicht. Du wirst dir jetzt noch was über mich anhören.« Deine Stimme klang mühsam beherrscht, dein Kinn wirkte total verkrampft. Ich roch deinen Atem, sauer und erdig, und spürte den Klammergriff deiner Finger. »Ich bin kein Monster«, knurrtest du. »Damals warst du ein Kind. Ich hab erst viel später gewusst, dass ich dich will.« Du hast geblinzelt und weggeschaut, schienst auf einmal zögerlich.
Ich versuchte mich loszumachen. Ich trat dir gegen die Kniescheibe. Aber du hieltst meine Arme fest an meinen Körper gepresst, als wäre ich ein Vogel, der nicht wegfliegen soll.
»Ich hab zugesehen, wie du älter wurdest«, sagtest du.
Ich wand meine Schultern. Aber du warst so stark, dass ich mich nicht richtig bewegen konnte.
»Jeden einzelnen Tag haben deine Eltern dich bedrängt, dass du so werden sollst wie sie«, fuhrst du fort. »Dass du ein Leben ohne Sinn führen sollst. Aber das wolltest du nicht. Ich weiß, dass du das nicht wolltest.«
»Was weißt du schon über meine Eltern?«, schrie ich.
Du blinzeltest. »Alles.«
Ich sammelte Speichel und spuckte dich an. »Du lügst«, sagte ich.
Deine Augen zogen sich zusammen, als du spürtest, wie dir die Spucke am Gesicht runterlief. Deine Hände umklammerten mich noch stärker. Sie drückten meinen Brustkorb so fest zusammen, dass ich glaubte, gleich würden mir die Rippen brechen. Mein Atem rasselte. Trotzdem hieltst du mich weiter umklammert und blicktest mich finster an.
»Ich lüge nicht«, brummtest du. »Ich sag einfach, wie’s ist.«
Die Spucke erreichte dein Kinn und du hast mich losgelassen, um sie wegzuwischen. Sofort war ich auf den Beinen und rannte Richtung Tür. Aber du wandtest dich ab, ignoriertest mich. Du hobst den Pinsel auf und strichst damit in schnellen, wütenden Bewegungen über deinen Handrücken. In diesem Moment wirkten deine blauen Augen fast unnatürlich. Sie waren derart intensiv, dass ich wieder einen Schritt zurückging. Aber ich war noch nicht fertig. Es gab noch was, das ich herausfinden musste. Ich zwang meine Beine, mit dem Zittern aufzuhören, und ballte die Faust, um meine Angst in den Griff zu kriegen.
»Woher weißt du das alles?« Ich stierte dich an, wollte dich töten mit diesem Blick. Dann warf ich mich herum und donnerte meine Faust gegen die Wand. »Du kannst das doch gar nicht wissen!«
Ich spürte, dass mir Tränen in die Augen stiegen, dass ich losweinen wollte. Die Stille im Raum war genauso lastend wie die Hitze. Dann bist du aufgestanden und zu mir rübergekommen.
»Ich habe dich lange beobachtet«, sagtest du. »Ich war neugierig, das ist alles. Es war nur … du warst so, wie ich früher auch … du hast nie dazugehört.« Ein Seufzen stieg aus deiner Brust und du fuhrst dir mit den Fingern über die Augenbrauen. »Kannst du dich denn gar nicht daran erinnern, dass ich da gewesen bin?«
»Natürlich nicht! Das sind doch alles bloß verdammte Lügen.« Wieder schlug ich mit der Faust gegen die Wand und erschrak, als ich meine roten, aufgerissenen Fingerknöchel sah.
»Gem«, sagtest du ruhig. »Ich kenne dich. Ich hab dich gesehen … jeden Tag.«
Ich biss mir auf die Zähne und konnte dich nicht anschauen. Ich dachte daran, wie ich manchmal nackt im Haus herumgelaufen war, wenn außer mir niemand da war. Ich dachte daran, wie Matthew Rigoni mit mir nach Hause gekommen war, nachdem wir im Park getrunken hatten.
»Was hast du gesehen?«, murmelte ich. »Wie?«
Du zucktest mit den Achseln. »Die Eiche vor deinem Zimmer, das Garagenfenster, das Haus von den Nachbarn, wenn sie in Griechenland waren, und das waren sie oft … und dann natürlich der Park. Das geht leichter, als du glaubst.«
Dein Gesicht war ganz nah. Ich hätte dir leicht eine reinhauen können. Verdammt noch mal, ich wollte dir so gern eine reinhauen. Ich wollte dich ohrfeigen und treten und prügeln, bis du wie ein lebloser Haufen Scheiße am Boden lagst. Ich wollte, dass du dich fühltest wie ich in diesem Moment. Aber du kamst mir noch näher. Du strecktest deine Hand aus und nahmst meine von der Wand weg. Mit dem Daumen
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