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Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Titel: Ich wuenschte, ich koennte dich hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Christopher
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Ostereier suche. Wir haben miteinander geredet – du hast mir von deinen Elfen und ihren Blumenhäusern erzählt. Und ich dir von den Min-Mins: den Geistern, die hier in den Wüstenbäumen leben und versuchen, Kinder zu rauben, die sich verlaufen haben. Im Gegensatz zu den meisten andern Leute hast du keine Angst vor mir gehabt … du bist mir begegnet wie jedem andern Menschen auch. Das hat mir gefallen.«
    Du schwiegst, während du einen ovalen Kringel mit kleinen braunen Punkten auf deine Wade maltest.
    »Das Rotkehlchen-Ei, das ich dir gegeben habe«, sagtest du und zeigtest auf deinen Unterschenkel. »Ich hab’s unter einer Eiche gefunden. Oben an der Spitze war ein Loch, weil ich irgendwann morgens den Dotter rausgesaugt hab. Keine Ahnung, warum ich es aufgehoben hatte … anscheinend für dich.« Während ich zusah, maltest du das Ei in einem blassen Sandton aus. »Sind übrigens kampflustige Vögel, die Rotkehlchen. Die verteidigen ihr Revier bis zum Tod.«
    Ich spürte, wie mein Herz rasend schnell zu schlagen begann. Ich konnte mich daran erinnern. Natürlich konnte ich das. Aber wieso wusstest du davon?
    »Das im Gebüsch war ein Penner«, sagte ich. »So ein dürrer alter Mann mit ganz vielen Haaren, und außerdem nicht ganz richtig im Kopf. Das warst nicht du.«
    Du lächeltest. »Du hast gesagt, mein Dach aus rosa Blüten wäre die schönste Decke, die du je gesehen hättest.«
    »Nein! Das war doch nur irgendein Penner, auf den ich zufällig gestoßen bin. Nicht du. Das stimmt alles nicht.«
    Du kautest an deinem Daumen herum. »Ist schon verrückt, was aus einem Menschen werden kann, wenn ihn das Großstadtleben in die Klauen kriegt.« Du hast ein abgebissenes Stück Nagel zur Seite gespuckt. »Und du warst noch ein Kind; da muss ich dir ja alt vorgekommen sein, auch wenn ich damals selbst noch nicht mal erwachsen war.«
    Ich wischte mir die Hände an meinem T-Shirt ab. Mein ganzer Körper fühlte sich auf einmal total klebrig und verschwitzt an. Du merktest, wie verwirrt ich war, aber das gefiel dir und du redetest einfach weiter.
    »Du hast gesagt, das wär das beste Osterei, das du je gefunden hast. Ganz vorsichtig hast du’s in der Hand gehalten, wie das Kostbarste auf der Welt. Da musste ich dran denken, wie ich selbst gewesen bin, als ich noch hier draußen gelebt habe … daran, wie es war, in der Wildnis irgendwas zu finden und zu wissen, dass es wirklich wichtig ist.« Du maltest noch einen ovalen Kringel oberhalb von deinem Knie und fülltest ihn mit kleinen Flecken. »Da ist mir klar geworden, wo ich hingehöre … nicht in einen ollen Stadtpark mit billigem Fusel, sondern hier in dieses Land, das mir vertraut ist, mit seinen Geistern.« Du maltest noch mehr Kringel auf deine Kniescheibe und sahst mich nicht an. »Am nächsten Tag habe ich das Nest gefunden, aus dem das Rotkehlchen-Ei stammte. Es war zerrupft und verlassen, aber ich wusste, es würde dir gefallen. Das Nest zu finden, dich zu finden … das war ein Zeichen.«
    »Wie meinst du das, ein Zeichen?« Meine Kehle war so eng, dass ich die Worte kaum rausbrachte. Denn ich erinnerte mich an ein Rotkehlchennest. Ich hatte es an irgendeinem Morgen auf meinem Fensterbrett gefunden, ohne zu wissen, woher es kam. Ich versuchte zu schlucken. Du sahst mich an und nicktest als Antwort auf etwas, das du in meinem Gesicht zu lesen schienst.
    »Ein Zeichen dafür, dass man eine Wahl hat …«, sagtest du. »… und dass es ein Verlangen gibt, das größer und stärker ist als das nach Alkohol. Ich fing an, drüber nachzudenken, was ich will im Leben. Und ich will genau das, was ich jetzt tue … das Land malen, vom Land leben, frei sein …« Du machtest eine große Geste quer durch den Raum. Ein Farbtropfen löste sich von deinem Pinsel und fiel herunter. »Dich zu treffen … tja, das war wohl so was wie der erste Schritt, aus dem dann das hier geworden ist … Ich hab mir einen Job gesucht, hab alles gelernt, was man fürs Hausbauen braucht, hab alles Mögliche recherchiert …«
    Ein kleiner, krampfiger Ton stieg aus meiner Kehle und unterbrach dich mitten im Satz. Ich ballte meine Faust, presste die Fingerknöchel gegen den Holzboden.
    »Du bist total krank«, zischte ich. »Du warst besessen von einer Zehnjährigen und darum hast du sie sechs Jahre später entführt? Wie durchgeknallt muss man sein, um …«
    »Nein.« Deine Lippen wurden hart. »So war das nicht. Ich war nicht besessen von dir …« Dein Gesicht wirkte

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