Ich wuenschte, ich koennte dich hassen
angespannt, straff wie die von einem Tier, das wegrennen will.
»Ich will wissen, wie du das hier gebaut hast«, sagte ich schließlich. »Wo du das Geld herhattest. Wenn du das wirklich warst damals im Gebüsch, wie du behauptest … wie bist du dann von dort wieder hierhergekommen?«
Ich ließ meinen Blick durch den Raum schweifen und sah die Spinnweben an der Decke. Dünne Fäden zogen sich zu den Vorhängen, schwache Spuren von Leben. Du rolltest die Arme auf dem Handtuch hin und her und zeigtest mit einem Kopfnicken auf den Schwamm.
»Wäschst du mir die Arme? Bitte? Dann erzähl ich’s dir.«
Ich tauchte den Schwamm ins Wasser und fuhr damit über die Kratzwunden. Die Risse gingen wieder auf und der Schwamm scheuerte über deine Haut. Du krümmtest dich, als unter deiner braunen Haut eine andere zum Vorschein kam, rosa und weich. Ich rieb noch ein bisschen fester. Winzige Schwammteilchen blieben in den Wunden hängen. Du grubst die Zähne in deine Unterlippe, um den Schmerz auszuhalten.
»Ich hab das Geld auf viele Arten zusammenbekommen«, sagtest du. »Zuerst durch Klauen. Ich war ziemlich gut darin, in Kneipen Handtaschen einzusacken und so … aber dann hat mich jemand erwischt und wollte mich zur Polizei bringen.«
Du sahst meinen Blick. Dir war klar, dass du, wenn es nach mir ging, sowieso bald im Gefängnis landen würdest. Aber du bist darüber hinweggegangen.
»Eine Weile hab ich sogar gebettelt«, erzähltest du weiter. »Hab meinen Pappbecher von McDonald’s vor mich gestellt wie alle andern auch und mich wie der letzte Dreck gefühlt.«
Ich hörte auf zu reiben. »Aber mit Betteln kriegt man so was nicht hin.« Wieder sah ich mich im Zimmer um. Alles hier mochte schlicht und ziemlich rustikal sein, aber es war ganz klar mehr nötig als ein bisschen Kleingeld, um das auf die Beine zu stellen … sehr viel mehr. »Was noch?«
Du nicktest. »Ich hab Sachen verkauft.«
»Was für Sachen?«
»Was ich eben hatte.« Du verzogst das Gesicht, aber nicht vor Schmerz. Ich war im Moment gar nicht mit deinen Armen zugange. »Ich hab mich verkauft, um das hier zu bauen.«
»Du meinst … wie eine Prostituierte?«
»Wie jemand, der seine Seele verkauft.« Du gucktest gequält, als du daran zurückdachtest. Dann schütteltest du den Kopf, als könntest du auf die Art loswerden, was dich belastete. »Ich hab nur getan, was alle andern in dieser Stadt auch tun«, sagtest du mit abwesendem Blick. »Ich bin dem Geld hinterhergejagt, hab mich verstellt, um es zu bekommen. Je länger ich das gemacht habe, desto leichter ist es mir gefallen … aber genau das ist die Falle, verstehst du? Wenn es leichter wird, mit der Leblosigkeit umzugehen, dann sinkst du immer tiefer und bist schon so gut wie tot.« Du tupftest dir mit dem Handtuch die Arme ab und drücktest fest auf die Wunden, um das Blut zu stillen. »Dann habe ich einen echten Treffer gelandet.«
»Als Edel-Callboy?«, fragte ich hämisch.
»Fast. Ich hab im Fantasyland gearbeitet.«
»Als Disney-Figur?«
»Ich wäre eine von denen geworden, wenn sie’s gewollt hätten.« Du lächeltest kläglich. »Ich war beim Escortservice. Als professioneller Abendbegleiter. Ich bin mit allen ausgegangen, die mich gebucht haben, und war, wer immer ich sein sollte: James Bond, Brad Pitt, Superman …«
Du machtest eine Pause, um zu sehen, wie ich reagierte. »Siehst du, ich hab dir doch gesagt, dass ich Superman sein kann.«
»Das ist total verrückt.«
»Ja, aber so ist London eben – alle tun gern, als ob. Besonders die Reichen. Ist jedenfalls leicht, so zu sein, wie die Leute das wollen: Gib ihnen was, das sie anstarren können, nick immer schön und lächle, erzähl ihnen, dass sie großartig sind.« Du hast ein gespielt charmantes Grinsen aufgesetzt, bevor du hinzufügtest: »Die drei Schritte, um an Geld zu kommen.«
Wieder lächeltest du. Aber dieses Lächeln hatte mit dem charmanten Grinsen von eben nichts zu tun. Es war klein und traurig.
»Und dein Geld? Hast du’s noch?«
Du warfst die Hände in die Luft und zeigtest auf das Haus. »Steckt alles irgendwo hier drin, in diesem Holz, in den Zimmern, in allem hier … Wozu sonst sollte ich’s brauchen?«
»Also«, begann ich, »hast du überhaupt nichts mehr, wenn du von hier weggehst? Kein Geld, keine Familie, keine Zukunft …?«
Dein Lächeln verschwand. »Ich gehe nicht hier weg. Nie.«
Du standst auf, als wären deine Wunden verheilt.
Auch in dieser Nacht konnte ich
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