Ich wuenschte, ich koennte dich hassen
die Räder irgendwie Halt bekämen, ließ sich der Wagen womöglich doch loseisen. Aber die Bäume hier waren hoch und ihre Äste zu weit oben, ich kam nicht dran. Ich zerrte an der Rinde, bekam aber nur ein paar kleine Fetzen runter.
In dem Moment sah ich das Blut. Zumindest dachte ich zuerst an Blut … hart gewordenes, rubinrotes Blut, das an der Rinde des Baums herunterrann. Hektisch blickte ich mich um, aber da war nichts, keine Menschenseele. Es war, als ob der Baum selbst bluten würde. Ich pulte mit dem Fingernagel an dem Blut herum und es löste sich in spröden Brocken, die meine Finger verfärbten. Ich roch an ihnen. Eukalyptus. Also doch Harz.
Ich kletterte hoch auf die Sanddüne. Meine Füße sanken im weichen Sand ein, darum kostete es mich viel Kraft. In den Spinifexbüscheln raschelte es, wenn ich vorbeiging. Oben auf dem Kamm blieb ich stehen, hielt mir die Hände schützend über die Augen und hielt Ausschau. Doch auf der andern Seite war nichts zu entdecken, was sich von der Gegend unterschied, aus der ich kam. Keine Bergwerkssiedlung, keine Menschen. Nur noch mehr Sand, noch mehr Felsen und Bäume und auch hier ganz in der Ferne noch mehr Sanddünenschatten. So weit ich sehen konnte, war ich der einzige Mensch hier. Ich schlang die Arme um die Brust und blies kühle Luft auf meine brennende Haut. Wenn ich hier auf der Düne starb, würde das nie jemand erfahren. Nicht einmal du. Ich ging zurück zum Wagen. Ich würde ein Weilchen schlafen. Im Moment war es einfach zu heiß zum Denken.
Als ich wieder aufwachte, stand der Mond am Himmel. Ich lag auf dem Rücksitz und betrachtete ihn durchs Fenster. Er war dick und gelb wie diese großen runden Käselaibe, die Dad jedes Jahr an Weihnachten von Geschäftsfreunden geschenkt bekam. Ich suchte den Mann im Mond: zwei Augen, wie ausgemeißelt, darunter ein träges Lächeln und Krater, die ein bisschen wie Bartstoppeln aussahen. Der Mond wirkte freundlich, aber er war so weit weg. Der Himmel um ihn herum war ein tiefer, klarer See. Wenn in diesem Moment ein Astronaut oben auf dem Mond gewesen wäre, hätte ich ihn gesehen, da war ich mir ganz sicher. Und vielleicht hätte er hinuntergeschaut und mich auch gesehen … der Einzige, der dazu überhaupt in der Lage war.
Ich lag unter dem Handtuch, das ich im Kofferraum gefunden hatte, trotzdem war mir eiskalt. Ich rieb meine Arme. Sie waren tiefrot von der Sonne, die Oberarme schälten sich. Mir war zu kalt, um weiterzuschlafen, darum kroch ich durch die Öffnung nach vorne und kauerte mich auf den Fahrersitz. Ich nahm das Handtuch und legte es mir über die Beine.
Ich drehte den Schlüssel im Zündschloss so weit, dass ich die Scheinwerfer anmachen konnte. Fahlgrau und geisterhaft lag der Sand in dem Kegel aus Licht, der sich vor mir erstreckte. Wie eine Nahtod-Erfahrung, ein Lichttunnel, der in den Himmel führte. Ich sah, wie sich am Rand etwas bewegte. Ein kleines Nagetier mit langen Ohren, das an den Wurzeln von einem der Bäume herumbuddelte. Einen Moment lang starrte es geblendet ins Licht, dann hoppelte es in die Dunkelheit davon.
Ich drehte den Schlüssel ganz herum, so dass der Motor hustend ansprang. Immer wieder trat ich aufs Gaspedal, bis sich das Husten in ein Dröhnen verwandelt hatte. In der stillen Nacht wirkte der Lärm wahnsinnig laut. Ganz bestimmt konnte ihn noch irgendwer anders hören, oder? Ich ließ die Kupplung kommen und betete, dass der Wagen sich vorwärtsbewegte. Und das tat er auch, ein kleines Stück. Ein, zwei Sekunden lang kämpften die Reifen mit dem Sand, dann sackten sie wieder zurück in die Kuhle, in die sie sich eingegraben hatten. Ich trat gegen die Pedale.
»Verdammter Mist!«
Meine Stimme klang so laut, dass ich zusammenzuckte. Ich legte den Kopf aufs Lenkrad und summte ein Kirchenlied, das wir in der Schule gelernt hatten. Aber nichts summte zurück. Die Stille schlich um mich herum, bedrohlich wie ein Rudel Wölfe. Ich fragte mich, was dort in dieser Schwärze sein mochte. Mein Körper begann zu zittern und alles verschwamm vor meinen Augen. Es dauerte eine Weile, bis ich begriff, dass ich weinte.
Ich suchte Äste, Büschel und andere Pflanzenteile zusammen – alles, was ich aufsammeln oder abreißen konnte, ohne mir die Hände total zu ruinieren – und stopfte sie unter die Reifen, aber ich bekam den Wagen trotzdem nicht los. Die Räder stießen die Pflanzen einfach nur tief in den Sand und bekamen dabei keinerlei Halt. Ich versuchte es mit
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