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Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Titel: Ich wuenschte, ich koennte dich hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Christopher
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Hand weg. Die Teller stellte ich auf die Bank. Auf deiner Stirn bildete sich eine Falte, die sich tief in deine Haut grub. Darunter strahlten hell deine blauen Augen.
    »Kannst du das?«
    Etwas total Intensives ging von dir aus, eine Ernsthaftigkeit, die ich an dir schon öfter erlebt hatte. Ich war beinahe so weit, dir zu glauben. Wenn du jemand anders gewesen wärst, hätte ich keinen Moment lang gezögert. Ich bewegte den Kopf. Es war kein Nicken, aber auch kein Kopfschütteln.
    »Drei Monate«, sagte ich.
    »Vier.« In deinem Gesicht zuckte es. »Aber bitte versuch nicht mehr wegzulaufen«, sagtest du. »Nicht allein, nicht ohne dass ich dich irgendwo hinbringe. Du kennst die Gegend hier noch nicht.« Du nahmst die Teller, unterbrachst dich kurz, um das Tuch abzuwickeln, das du dir immer noch um deine rechte Hand gebunden hattest, und drehtest den Wasserhahn auf. »Es ist bloß … na ja, um hier zu überleben, musst du das Land lieben. Und das braucht Zeit. Im Moment bist du auf mich angewiesen.«
    »Ich weiß.«
    Du starrtest mich an, anscheinend genauso überrascht von dieser Aussage wie ich selbst. Aber ich war wirklich auf dich angewiesen, oder? Ich hatte versucht, alleine zu entkommen, und das hatte nicht funktioniert.
    Seufzend drehtest du dich wieder dem dunklen Fenster zu. »Wenn du nach vier Monaten immer noch wegwillst, bring ich dich in Stadtnähe. Aber verlang nicht von mir, dich in die Stadt zu begleiten.«
    »Das würde ich sicher nicht tun«, sagte ich und runzelte die Stirn. Als könnte ich dich zu irgendwas zwingen, das du nicht wolltest.
    Mit hängenden Schultern fingst du an, das Geschirr abzuwaschen. Deine Finger wirbelten im Wasser herum. Ich konnte den Pulsschlag an deinem Hals sehen, ein Funken Leben unter deiner braunen, festen Haut. Drum herum waren Sommersprossen, die sich bis hinunter zum Schlüsselbein zogen.
    »Ich muss dich nicht anzeigen, weißt du.« Ich begann zu reden, ohne es wirklich zu wollen. »Falls du dir darüber Gedanken machst – ich muss das nicht tun. Du könntest mich einfach irgendwo rauslassen und dann verschwinden, zurück in die Wüste. Ich könnte behaupten, dass ich mich nicht mehr erinnere; dass ich einen Hitzschlag hätte oder das Gedächtnis verloren habe oder so. Ich werd mich nicht mal mehr an deinen Namen erinnern können.«
    Du erwidertest meinen Blick, aber deine Augen waren voller Trauer und kurz vorm Überfließen.
     
     
    In dieser Nacht ging ein starker Wind. Ich hörte ihn, als ich im Bett lag; er hob Sandkörner hoch und schleuderte sie gegen das Holz und die Fenster, ein prasselndes Geräusch, wie Gewehrfeuer. Oder wie Regen. Mit geschlossenen Augen konnte ich mir beinahe einreden, dass dieses Geräusch der englische Regen war, der runterrauschte wie manchmal im Winter, der Gärten und Felder unter Wasser setzte und die Themse und die Abwasserkanäle um unser Haus füllte. Ich hatte vergessen, wie beruhigend das Geräusch von Regen vor dem Fenster sein konnte, dass es einem das Gefühl von Sicherheit gab.
    Du bist an diesem Abend vor mir in dein Zimmer gegangen. Du warst still, wahrscheinlich enttäuscht von mir. Dein großes Abenteuer verlief kein bisschen so, wie du es dir vorgestellt und erwartet hattest. Fingst du an zu bereuen, was du getan hast? Überlegtest du, ob du dir wohl das falsche Mädchen ausgesucht hattest? Vielleicht war dir jetzt erst klar geworden, dass ich vollkommen durchschnittlich war, kein bisschen besonders, genau so eine Enttäuschung für dich wie für alle andern. Ich drehte mich um und schlug ins Kissen, frustriert darüber, dass ich immer noch wach lag und mir so deprimierende Gedanken machte.
    Dann hörte ich deinen Schrei. Er schnitt durch die Stille und ließ mich im Bett aufspringen. Es war ein verzweifelter Tierlaut, als käme er von irgendwo tief drinnen in dir. Es war das lauteste Geräusch, das ich seit Tagen gehört hatte.
    Mein erster Gedanke war, das jemand im Haus sein musste. Jemand war gekommen, um mich zu retten, und dafür musste er dich erst ausschalten. Jemand hatte dir ein Messer in den Rücken gerammt und drehte es gerade um. Aber das war ein idiotischer Gedanke. Kein Mensch würde irgendwen auf so eine Art retten, außer im Film. Hier in der Wüste schon gar nicht. Hier draußen würden Retter im Flugzeug aufkreuzen und uns durch Licht und Lärm vorwarnen. Jeden, der hierherkam, würden wir schon hören, wenn er noch meilenweit entfernt war.
    Trotzdem lauschte ich nach Geräuschen von

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