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Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Titel: Ich wuenschte, ich koennte dich hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Christopher
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Ich wollte sehen, wie du heute auf mich reagieren würdest.
    Die Tür stand einen Spaltbreit offen. Ich drückte sie auf.
    Drinnen war es derart hell und heiß, dass ich einen Augenblick brauchte, um mich daran zu gewöhnen. Die Vorhänge waren heruntergerissen und lagen in einem Haufen vorm Fenster. Sonnenlicht durchflutete den Raum und ich sah, dass die zuvor verblassten Wände neu angemalt waren. Es gab Punkte und Wirbel in kräftigen Farben; rote, schwarze und braune Streifen legten sich energisch darüber. Blätter, Sand und kleine Zweige waren in das Bild eingearbeitet und verliehen der Wand eine ganz eigene Struktur. Wenn ich einen Schritt zurücktrat und alles zusammen betrachtete, konnte ich Muster erkennen. Eine Woge gelber Punkte zog sich wie Sand über den Fußboden und die blauen Kreise an der gegenüberliegenden Wand waren wie Wassertümpel. Der Raum hatte etwas Wildes, Ungezähmtes an sich. Er erinnerte mich an eine Geschichte, die mir Mum vor sehr langer Zeit einmal vorgelesen hatte. Darin hatte sich das Zimmer von einem Kind in einen Urwald verwandelt.
    Du warst mittendrin, standst mit zurückgebeugtem Oberkörper auf einem Holzschemel und maltest die Decke an. Du hattest nur eine dünne kurze Hose an, der Stoff war zerrissen und rollte sich auf deinen Oberschenkeln zusammen. Deine Haut hatte fast die gleiche Farbe wie die erdig braune Wand hinter dir. Du tupftest tausend winzige orangefarbene Punkte auf die Fläche über deinem Kopf. Nach einer Weile zogst du einen andern Pinsel hinter deinem Ohr vor und fülltest den Raum zwischen den Punkten mit weißen Wirbeln. Erst als dir die Farbe ausging, hörtest du auf.
    Du drehtest dich um. Schweiß glitzerte auf deiner Brust und sie war verschmiert mit erdiger Farbe. Ich schaute dein Gesicht an, wollte sehen, ob die vergangene Nacht Spuren darin hinterlassen hatte. Doch du schienst entspannt und glücklich. Du stiegst von dem Schemel und kamst auf mich zu.
    »Gefällt dir, was ich gemalt habe?«, fragtest du.
    »Was ist das?«
    »Alles um uns herum – das Land.« Du lachtest. »Ist aber noch nicht fertig. Jeder Fleck Wand wird Teil davon, und ich auch.«
    »Warum?«
    »Ich will alles einfangen, die ganze Schönheit hier, will alles miteinander verbinden … Du sollst sehen, wie es hier wirklich ist, bevor … bevor du gehst …«
    Deine Augen glänzten. Ich wandte mich um, ließ all die Farben und Wirbel und Strukturen auf mich wirken. Mein Blick verweilte auf einer Schar strahlend weißer Punkte auf schwarzem Hintergrund oben in einer Ecke des Raums. Sie sahen fast aus wie Sterne, wie winzige, schimmernde Lichtkugeln. Hattest du sie absichtlich so gemalt? Du machtest noch einen Schritt auf mich zu und nun konnte ich die Sandkörner sehen, die an deinen Schultern und auf einem Teil deiner Brust klebten. Ich streckte die Hand aus, um sie zu berühren. Deine Haut war genauso rau und warm wie der Staub draußen vor der Tür.
    »Juckt das nicht?«
    »Das ist nur die Grundierung«, sagtest du. »Erst wenn das hier richtig getrocknet ist, kann ich die Muster aufmalen.«
    »Welche Muster?«
    Meine Verwirrung schien dich zu belustigen. Du nahmst meine Hand in deine und drücktest sie gegen deine Brust, hieltst sie dort fest. »Die Muster von der Landschaft.« Du zeigtest mit einer Kopfbewegung auf den Raum, der uns umgab. »Warte, bis die Sonne untergeht«, sagtest du. »Dann wird hier alles lebendig.«
    »Wie meinst du das?«
    »Das wirst du dann schon sehen.«
    Unter meiner Hand, die von deiner bedeckt war, spürte ich deinen kräftigen Herzschlag. Schnell zog ich meine Finger weg. Auch du nahmst deine Hand von der Brust und fuhrst dir damit durch die Haare. Ein Sandregen ergoss sich auf den Boden. Du schütteltest den Kopf und noch mehr Sand rieselte herunter.
    »Sandsturm«, sagtest du. Du wirbeltest den Kopf herum, dass dein goldenes Haar tanzte und der Sand nur so flog.
     
     
    Ich ging dir hinterher zur Tür, ein bisschen schwindlig von dem, was ich gesehen hatte. Du legtest meine Hand auf dein Rückgrat. Deine Haut war warm und feucht, deine Wirbel kamen mir wie Wurzeln vor.
    »Vorne kann ich mich leicht selbst anmalen, aber ich muss irgendwie an meinen Rücken drankommen«, sagtest du.
    Schnell zog ich meine Hand weg. »Ich will dich nicht anmalen.«
    »Das brauchst du auch nicht.« Du drehtest dich um und sahst mich an. »Am Wasserloch zwischen den Felsen gibt es Blätter, lange Blätter. Holst du mir eins davon? Und wenn du schon da bist, bring

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