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Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Titel: Ich wuenschte, ich koennte dich hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Christopher
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wartete, bis du ganz aufgehört hattest zu weinen.
    »Ich weiß nicht, wo ich bin«, flüstertest du.
    »Du bist hier«, sagte ich. »In der Wüste. Niemand sonst ist da.«
    Du wischtest dir die Augen an meinem T-Shirt, dann blicktest du auf. Diesmal sahst du mich; du wusstest, wer ich war. Dein Gesicht entspannte sich ganz und gar.
    »Gemma«, sagtest du.
    Ich nickte.
    »Danke.«
    »Du hast geträumt. Ich hab dich nur aufgeweckt.«
    »Danke.«
     
     
    Nach einer Weile hast du mich losgelassen. Du hocktest dich mit gekreuzten Beinen auf die Matratze und starrtest den Fußboden an. Du spieltest mit deinen Fingern, anscheinend war dir das Ganze peinlich.
    »Wovon hast du geträumt?«, fragte ich.
    Du schütteltest abwehrend den Kopf. Ich blieb, wo ich war, und wartete. Um uns herum knarrte das Holz und der Wind rüttelte an dem Blechdach. Du warfst einen Blick zum Fenster, als wolltest du dich davon überzeugen, dass es noch da war.
    »Vom Kinderheim«, sagtest du leise. »Von der Fahrt in diesem Transporter. Und davon, dass ich hier wegmusste.« Du blicktest nach draußen in den Nachthimmel und zu den Sternen. Ich folgte deinem Blick. Vielleicht, überlegte ich, könnte ich die Horizontlinie finden, die das schwarze Land vom grauen Himmel trennte. Seufzend fuhrst du dir mit der Hand übers Gesicht. »Jetzt hältst du mich bestimmt für völlig durchgeknallt, was?«
    Ich sah zu dir hinunter, wie du ganz in dich zusammengesunken dagesessen hast. »Wir haben alle manchmal Träume.«
    Deine Augen leuchteten in der Dunkelheit, als wärst du ein Nachttier; ein Tier, das auf den Arm genommen werden wollte. »Worum geht’s in deinen?«, flüstertest du.
    »Meistens um zu Hause.«
    »London?« Du dachtest über das Wort nach, spürtest der Bedeutung nach, die es für dich hatte. »Wie kann man von so einem Ort träumen?«, sagtest du. Wieder wanderte dein Blick zurück zum Fenster. »Wieso liebst du diese Stadt?«
    »Die Menschen lieben, was ihnen vertraut ist.«
    »Nein.« Du schütteltest den Kopf. »Die Leute sollten das lieben, was ihre Liebe braucht. Damit sie es retten können.« Danach bliebst du lange still und starrtest aus dem Fenster, in Gedanken versunken. Leise ging ich zur Tür.
    »Tut mir leid«, flüstertest du.
     
     
    Dein Zimmer war leer, als ich aufstand. Ich fütterte die Hühner. Auf dem Rückweg trottete die Kamelstute zu mir. Ich kratzte sie am Ohr und zupfte an den weichen Haaren darin, so wie sie es mochte – du hattest mir gezeigt, was ich tun sollte. Sie legte ihre Nase auf meinen Arm.
    »Er wird dich hierbehalten, weißt du«, murmelte ich ihr zu. »In ein paar Monaten bin ich weg, aber er wird dich nicht auch noch gehen lassen.« Ich streichelte das Fell an ihrer Wange, das weich war wie das von einem Teddy. Sie kaute kreisend, wobei ihre gummiartigen Lippen meinen Handrücken berührten. »Wie kommt’s, dass du so sanftmütig bist?«, sagte ich. »Du solltest wild sein, schlimmer als er.« Ich berührte ihre langen, schönen Wimpern mit den Fingerspitzen. Sie blinzelte.
    Ich entfernte mich ein paar Schritte, aber sie folgte mir, ging immer dicht hinter mir her. Ich drehte eine Runde, begleitet von dem sanften Geräusch ihrer Hufe. Ich blieb stehen und drehte mich zu ihr, um etwas auszuprobieren.
    »Leg dich hin«, sagte ich.
    Ich hob den Arm, so wie du das sonst machtest, und nachdem sie kurz protestiert hatte, kippte sie nach vorne und ging auf die Knie. Als ihr Rumpf auf dem Boden aufkam, erhob sich eine Staubwolke.
    »Braves Mädchen«, sagte ich.
    Ich ließ mich neben ihr auf die Knie herunter. So waren unsere Köpfe fast auf der gleichen Höhe. Ihre Schnauze kam mir riesig vor und ihre Zähne waren braun. Ihr starker, etwas muffiger Geruch stach mir in die Nase. Sie wandte den Kopf in die Richtung der beiden Schuppen und schloss die Augen gegen die Sonne. Ich schob mich zu ihr und schlang den Arm um ihre wuchtigen, starken Schultern. Sie kuschelte ihren Hals an meinen Körper. Ich hätte leicht auf ihren Rücken klettern und auf ihr reiten können. Wir hätten der Sonne entgegengaloppieren können.
    Ich schmiegte meinen Kopf in ihr Fell und schloss wie sie die Augen. Feuerbälle tanzten hinter meinen Augenlidern. Jetzt, in diesem Moment, war es genug, einfach nur hier zu sitzen.
     
     
    Du verbrachtest den ganzen Tag in deinem Malschuppen. Erst am Nachmittag traute ich mich, dort hinzugehen. Du hattest in der vergangenen Nacht so völlig anders gewirkt als sonst, fast verletzlich …

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