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Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Titel: Ich wuenschte, ich koennte dich hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Christopher
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Flügel; ein blasses Gewirbel. Er hatte winzig kleine, pelzige Fühler, die mich kitzelten. Wie überlebte dieses Tierchen? Es wirkte so zart. Ich schüttelte die Hand und der Nachtfalter plumpste in den Sand. Ich schubste ihn an und er flog los, zuerst noch in Schieflage, aber bald schwirrte er wieder um uns herum.
    »Der ist früh dran«, sagtest du. »Eigentlich sollte er erst in ein paar Wochen auftauchen. Du hast Glück gehabt.«
    Dein Lächeln vertiefte die Fältchen um deine Augen. Ich sah schnell weg, denn ich wäre zu gern in deinen Blick eingetaucht, wusste aber, dass ich das besser bleiben ließ. Ein paar von den Sternen zwinkerten mir zu, andere wirkten ruhig. Ich hörte das schrille Sirren, das von den dunklen Silhouetten der Fledermäuse ausging, während ihre Flügel lautlos durch den samtschwarzen Himmel glitten. In diesem Moment kam es mir so vor, als wären wir beide die einzigen Menschen auf der Welt. Das klingt vielleicht kitschig, aber so war es. Die Grillen zirpten und die Fledermäuse riefen, dazu heulte in der Ferne ab und zu ein Dingo. Sonst gab es keine Geräusche. Kein Hupen. Keine Züge. Keine fiependen Fußgängerampeln. Keine Rasenmäher. Keine Flugzeuge. Keine Sirenen. Keine Alarmanlagen. Kein menschliches Geräusch. Wenn du mir in diesem Augenblick erzählt hättest, du hättest mich vor einem Atomschlag gerettet, der alles übrige Leben auf der Erde ausgelöscht hatte, hätte ich dir vielleicht geglaubt.
    Du legtest dich zurück in den Sand, das Gesicht den Sternen zugewandt. Du warst vollkommen still, man hätte glauben können, du würdest schlafen oder wärst tot. Ich schubste dich.
    »Was?« Du lächeltest ein bisschen. »Ich denke über die Sterne nach.«
    »Was denn?«
    »Wie alles zugleich ewig und vergänglich ist.«
    »Wie meinst du das?«
    Du antwortetest in den Nachthimmel. »Na ja, der Stern da drüben rechts blinkt wie wild auf mich herunter, aber wie lange noch? Für ein oder zwei Stunden oder für die nächste Million von Jahren? Und wie lang werden wir hier sitzen? Bloß noch einen Moment oder für unser restliches Leben? Ich weiß, was mir lieber wäre …«
    Ich ignorierte den letzten Satz und schaute stattdessen hoch zu den Sternen. » Ich war diejenige, die hier draußen sitzen wollte. Du bist mir nur hinterhergekommen, das ist dir doch klar, oder?«
    Du stütztest dich auf deine Ellbogen. »Soll ich gehen?«
    Dein Gesicht war nicht mal eine Armlänge von meinem entfernt. Es war leicht möglich, mich zu dir hinüberzulehnen, und genauso leicht für dich, dich zu mir zu beugen. Wir könnten uns küssen. Du sahst mich an und ich spürte deinen heißen Kräuteratem auf meiner Haut. Deine Lippen waren leicht geöffnet, sie wirkten trocken und rissig an den Rändern. Sie brauchten Feuchtigkeit, um wieder geschmeidig zu werden. Ich streckte die Hand aus und rieb ein wenig Farbe weg, die in deinen Bartstoppeln klebte. Du hieltst meine Finger an deinem Kinn fest. Ich erstarrte, als ich auf der einen Seite deine warme Hand spürte und auf der andern die winzigen, harten Haare, die meine Finger pikten. Was dachte ich mir bloß? Ich drehte mich wieder den Sternen zu. Bald darauf hast du meine Finger aus deiner Hand gleiten lassen.
    »Ich will einfach nur hier sitzen«, sagte ich mit zittriger Stimme. »Du kannst machen, was du willst.«
    »Ich will bleiben.«
    Ich schaute immer noch in den Himmel; dich anzusehen traute ich mich nicht mehr. Da war eine Gruppe von besonders hell leuchtenden Sternen, die sich Richtung Horizont senkte. Sie waren wie eine kleine Stadt aus blinkenden Lichtern. Eine Autobahn von hellen Sternen führte auf sie zu. Du sahst, wohin ich blickte.
    »Die Schwestern«, sagtest du. »So werden sie manchmal genannt.«
    »Warum?«
    Du setztest dich auf, überrascht, dass ich mit dir reden wollte. »Diese Sterne waren mal schöne Frauen«, erzähltest du. »Die ersten Frauen hier. Als sie übers Land gingen, begannen Bäume und Blumen zu wachsen … Felsen hoben sich aus der Erde. Ein Fluss ergoss sich in ihre Fußstapfen. Doch als die Frauen in diesem Fluss badeten, wurden sie von einem Geistermann beobachtet. Er wollte, dass sie seine Frauen wurden. Also hat er sie verfolgt und die Frauen sind vor ihm weggerannt. Sie sind an den einzigen Ort geflohen, an dem sie vor ihm sicher waren, den Himmel. Sie haben sich in Sterne verwandelt. Aber er hat auch dort oben nicht aufgehört, sie zu jagen, ist selbst zu einem Stern geworden, auf ewig hinter ihnen

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