Ich würde dich so gerne kuessen
Lenz. Und wie die Küche wieder aussieht!«
Ich werfe mein Kissen nach ihm.
»Muss ich mir Sorgen machen?«, fragt er.
»Wieso Sorgen?«
»Warum liegst du deprimiert im Bett?«
»Ich bin nicht deprimiert, ich bin inspiriert!«, rufe ich überschwänglich.
»Das trifft sich gut. Ich brauche heute einen inspirierten Berater.«
»Bezüglich was?«
»Bezüglich Styling.«
»Oh Gott. Da bin ich aber wirklich nicht die Richtige.«
»Klar doch. Wirf dir was zum Anziehen über und wir machen die Secondhandläden unsicher. Du könntest doch auch paar neue Sachen gebrauchen.«
»Ach, findest du?« Ich schaue zu meinem Klamottenberg, der sich in der Ecke des Zimmers türmt.
»Ein paar schicke Boots auf jeden Fall«, sagt Jeffer.
»Bin ich jetzt dein Anziehpüppchen?«
»Ich würde nicht im Traum daran denken, aber ein paar solide Boots will ich dir trotzdem schenken, wegen dem Boomboomboom.«
»Hä?«
»Na, den Takt zur Musik mit den Boots auf den Boden boomen«, erklärt Jeffer, jedes Wort einzeln betonend.
»Wie so ein Groupie?«
»Genau so. Edgar hat gefragt, ob er mitkann, wir können ihn abholen, wenn wir wollen.«
»Hm, und wenn nicht?«
»Dann holen wir ihn eben nicht ab. Geht er dir auf die Nerven?«
»Nein. Nicht wirklich. Er ist ein bisschen aufdringlich.«
»Er würde es nicht wagen, meine Frau anzumachen.«
»Ich bin nicht deine Frau.«
»Wirklich nicht?«, fragt Jeffer mit dieser gespielten Don-Juan-Stimme.
»Hey, was willst du eigentlich? Du bist ganz schön eingebildet, weißt du das!«
»Und was willst du eigentlich? Sollen wir uns nun endlich küssen oder nicht?«
»Nein! Ja! Nein. Ich meine … nein. Ich glaube, wir haben den Moment schon verpasst.« Ich lache nervös.
Oh Gott! Ich könnte mich ohrfeigen für diese Antwort. Gestern Nacht noch habe ich mir nichts anderes gewünscht, als dass Jeffer mich endlich küsst, und heute lasse ich ihn abblitzen und weiß selbst nicht, warum.
»Vielleicht holen wir Edgar wirklich nicht ab. Wir könnten ein bisschen Zweisamkeit vertragen«, sagt er und schlendert in die Küche, um Teewasser aufzusetzen.
Ich ziehe mir eine Jeans und ein grünes Led-Zeppelin-T-Shirt über, welches ich meinem Vater aus dem Schrank geklaut habe.
Dann setze ich mich mit einer Zigarette an den Tisch und beobachte Jeffer, wie er ganz geschäftig tut, als wäre das Teekochen eine große Kunst, die seine ganze Aufmerksamkeit erfordert. Er ist unsicher, vielleicht. Ich bin unsicher, bestimmt.
Wie er da so mit dem Rücken zu mir steht, wird mir noch mal klar, wie unglaublich sexy er eigentlich ist. Seine Bewegungen sind geschmeidig, locker und doch ganz präzise. Seine Haut, in der Abendsonne leicht gebräunt, seine Haare ein wenig durcheinander. Seine Jeans hängt ein Stück runter und gibt einen winzigen Blick auf seine Shorts frei. In meinem Bauch zieht sich alles zusammen und diese Spannung ist wirklich kaum auszuhalten. Aber ich habe so furchtbare Angst, dass dieser eine Kuss alles kaputt machen könnte. Alles wäre plötzlich ganz banal.
Außerdem habe ich es gerade sowieso versaut. Ich beschließe, lieber eine kalte Dusche zu nehmen.
Ich bin nicht verliebt, ich bin nicht verliebt, ich bin nicht verliebt.
Als Jeffer und ich durch die Secondhandläden streifen, klingelt mein Handy. Eine ungewöhnlich lange Nummer. Viele Nullen. Oh mein Gott! Meine Eltern!
»Shit!«, kreische ich in einer für mich ungewöhnlich hohen Stimmlage.
»Was ist los?«
»Meine Eltern, ach du Scheiße, was mache ich denn jetzt?« Ich drehe mich im Kreis und schaue hilfesuchend zum Himmel.
»Du meine Güte! Rangehen!« Jeffer schüttelt den Kopf.
»Spinnst du? Die wissen doch nicht, dass ich mich hier mit dir rumtreibe.«
»Spinnst du? Sie sehen dich doch nicht, erzähl denen irgendwas.«
»Oh Gott, ich kann nicht gut lügen.«
»Irgendwann muss man es lernen. Und jetzt geh ran!«
»Hallo?«, sage ich, nachdem ich endlich den Knopf zum Abnehmen gedrückt habe.
»Frieda! Schätzchen! Hörst du mich?«, brüllt mein Vater in den Hörer.
»Ja. Ich höre dich gut.«
»Ich dachte nur, weil wir doch so weit weg sind …«
»Ich höre dich gut! Wie geht es euch?«, versuche ich, das Gespräch voranzutreiben.
»Himmlisch, mein Liebes. Wundervoll. Großartig. Es ist schade, dass du das hier nicht sehen kannst.«
»Ja, schade, wirklich«, lüge ich.
»Ist alles in Ordnung bei dir? Du hörst dich traurig an«, fragt er besorgt.
»Traurig? Nein, auf keinen Fall!«
»Bist du
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