Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich würde dich so gerne kuessen

Ich würde dich so gerne kuessen

Titel: Ich würde dich so gerne kuessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrycja Spychalski
Vom Netzwerk:
müssen wir denn hinfahren?«
    »Mensch, Frieda! Du machst mich wahnsinnig mit deinen Fragen!«
    »Und du machst mich wahnsinnig mit deinen Nicht-Antworten!«
    »Okay. Das letzte Mal. Ich verspreche es. Es wird das letzte Mal sein. Komm mit.«
    »Und wenn nicht?« Ich bleibe demonstrativ auf meinem Stuhl sitzen, lehne mich sogar noch ein Stück zurück.
    »Dann lässt du es eben bleiben.« Er zuckt mit den Schultern und sieht aus, als ob er kurz vor dem Aufgeben ist.
    »Ich will doch nur wissen, wohin wir fahren.«
    »Warnemünde.«
    »Warnemünde?«
    »Soll das wieder eine Frage sein?«
    »Vergiss es. Fahren wir nach Warnemünde. Hätte ja auch schlimmer kommen können.«
    »Gutes Mädchen.«
    »Halt die Klappe!«
    Er kommt auf mich zu und zieht mich am Arm aus dem Stuhl, hebt mich hoch, dann wirbelt er mich durch die Luft.
    »Los, in vierzig Minuten geht der Zug.«
    Wir eilen aus der Wohnung, raus auf die Straße. Die frische Luft erschlägt mich fast nach diesen Tagen in der verrauchten Wohnung. Ich atme tief durch.
    Als wir die Ampel überqueren, hört man von Weitem jemanden rufen. Wir drehen uns um und sehen Edgar, er fuchtelt mit den Armen und ruft unsere Namen.
    »Los, renn!«, ruft Jeffer und ist auch schon auf der anderen Straßenseite. Ich zögere kurz, aber jetzt … was soll’s … jetzt ist das eh schon egal. Ich renne hinter Jeffer her. Der Rucksack schneidet mir in den Rücken, ich komme aus der Puste. Noch die Treppe zur S-Bahn hoch und dann steht die Bahn schon da, abfahrbereit. Wir springen rein, als schon die Lämpchen rot leuchten und lassen uns dann atemlos in die Sitze fallen. Die S-Bahn fährt ab, und ich sehe aus dem Fenster noch Edgar, wie er fassungslos auf dem Bürgersteig steht und zu uns hochschaut.
    »Mann, dein Freund möchte ich wirklich nicht sein«, sage ich zu Jeffer, und wir müssen beide lachen.
    Fünf Stationen später kommen wir am Ostbahnhof an und müssen erstmal zum Schalter. Jeffer holt die Fahrkarten. Ich besorge uns Kaffee in Pappbechern. Ich sehe seit Langem das erste Mal auf die Uhr. Es ist halb zwölf. Nachts. Ich wundere mich, dass um diese Uhrzeit noch Züge nach Warnemünde fahren. Wir suchen unseren Bahnsteig. Der Zug ist noch nicht eingefahren, also setzen wir uns auf unsere Rucksäcke und trinken den Kaffee.
    Ich stelle keine Fragen mehr. Wir fahren nach Warnemünde, mitten in der Nacht und eigentlich ist das auch ganz schön cool.
    Jeffer grinst vor sich hin.
    Ich überlege kurz, mein Handy wieder einzuschalten, beschließe aber dann, dass es auf die zwei Tage auch nicht mehr ankommt.
    Der Zug fährt ein und wir machen es uns in einem leeren Abteil gemütlich. Nachtzug fahren hat durchaus Vorteile. Wir ziehen unsere Schuhe aus und legen uns über die ganze Sitzreihe. Jeffer auf der einen Seite, ich auf der anderen.
    Er sieht mich an. Ich lächle. Der Zug setzt sich in Bewegung.
    »Na dann«, sagt Jeffer.
    »Na dann.«
    »Wir sollten ein bisschen schlafen, morgen kommen wir nicht mehr dazu.«
    »Also gut. Schlafen wir.«
    Ich schließe die Augen und höre auf das monotone Rattern des Zuges. Ich bin noch nie einfach so in einen Zug gestiegen. Überhaupt habe ich in diesen zwei Wochen mit Jeffer so viel nachgeholt, was ich vorher noch nie gemacht habe. Whiskey trinken, Gitarre spielen, vor Freunden davonrennen, spontan sein, Wände streichen, alte Musik lieben lernen.
    Und dann dieser Kuss. Das war großartig. Jedes Mal wenn ich daran zurückdenke, krampft sich mein Magen zusammen. Jedes Mal wenn ich daran zurückdenke, überlege ich, ob es das nicht doch wert wäre, darüber zu reden. Und jedes Mal wenn ich mir vorstelle, es anzusprechen, scheint es mir aber so dumm, so gewöhnlich, so problembelastet. Mein Vater sagt manchmal, dass Frauen zu viel reden, dass sie Dinge kaputtreden können, totreden. So eine Frau möchte ich nicht sein.
    Ich schiele rüber zu Jeffer. Er scheint wirklich eingeschlafen zu sein. Ich setze mich wieder auf und sehe aus dem Fenster. Dunkelheit. Dazwischen einzelne Lichtflecken von Häusern und Laternen. Ich hole meine Kamera aus dem Rucksack und filme in die Dunkelheit hinaus. Dann schwenke ich zu dem schlafenden Jeffer. Ich zoome sein Gesicht ganz nah ran. Seine geschlossenen Augen, seine halb geöffneten Lippen. Eine Narbe über der linken Augenbraue fällt mir jetzt zum ersten Mal auf.
    Wir werden vom Schaffner geweckt. Noch eine halbe Stunde bis Warnemünde. Der Zug tuckert vor sich hin. Ich habe Kopfschmerzen und bin plötzlich

Weitere Kostenlose Bücher