Ich würde dich so gerne kuessen
dich?«
»Mach dir keinen Stress. Ich bin krank, irgendwie. Lass dich von nichts abhalten, wir sehen uns schon noch.«
»Wirklich? Wärst du also nicht böse, wenn …«
»Bleib, wo du bist, und amüsier dich!«
»Oh gut. Ich wusste, dass du das sagen würdest. Ich ruf dann einfach wieder an, okay?«
»Ja, bis dann. Und grüß den unbekannten Schönen.«
»Schön ist er nicht unbedingt, aber voll der Freak, also so richtig«, schwärmt sie.
»Na, du machst das schon.«
»Mach’s gut«, haucht sie ins Telefon und legt auf.
Eigentlich ist es mir ganz recht, dass ich heute nicht mit Maja reden muss. Ich hatte mich auf sie gefreut, wirklich, aber ich brauche noch einen Moment, um mich zu akklimatisieren.
Ich hatte gehofft, Jeffer wäre am Telefon. Ich hätte nicht gewusst, was ich ihm sagen soll, aber ich wäre beruhigt gewesen zu wissen, dass es ihm gut geht.
Ich stehe wieder aus dem Bett auf, mache mir etwas zu essen und gehe meine Schulsachen durch. »Die Leiden des jungen Werther« waren gerade unsere Lektüre und ich habe noch gar nicht reingesehen, also hole ich wenigstens das jetzt nach.
Allerdings bin ich nach wenigen Seiten schon ermüdet von dieser Melancholie, von diesem Vor-sich-hin-Leiden. Ich hätte es mir beim Titel schon denken können, aber das ist jetzt wirklich nicht das, was ich gebrauchen kann.
Ich staubsauge die Wohnung, hänge Wäsche auf, die schon gestern hätte aufgehängt werden müssen, jetzt riecht sie wieder muffig. Dann stöbere ich ein wenig in der Küche rum, und eh ich mich versehe, rühre ich schon den Teig für einen Kuchen an. Ich habe plötzlich Lust, meinen Eltern die Heimkehr schön zu machen. Vielleicht sollte ich auch frische Blumen holen und sie in eine Vase stellen.
Später döse ich wieder vor mich hin, das Fernsehbild flackert und hilft nicht unbedingt gegen meine Kopfschmerzen, aber ich muss mich irgendwie ablenken. Immer wieder denke ich an Jeffer. Das Bild, wie er spuckend aus dem Wasser taucht, will nicht aus meinem Kopf. Ich frage mich, was geworden wäre, wenn ich noch geblieben wäre, wenigstens den einen Tag. Hätten wir endlich miteinander geredet? Uns endgültig verkracht? Uns wieder geküsst? Miteinander geschlafen? War das nun der Abschluss, den Jeffer für uns geplant hatte?
Ich hoffe nur, dass es ihm gut geht. Dort in seiner einsamen Hütte. Irgendwie ist das doch ganz schön trostlos. Wahrscheinlich hätte ich bleiben sollen.
Und dann sind meine Eltern da.
Als ich den Schlüssel im Schloss höre, rutscht mir das Herz fast in die Hose. Ich gehe ihnen entgegen. Meine Mutter lässt in der Tür ihre Taschen fallen.
»Frieda, Schatz! Du siehst fürchterlich aus.«
Sie umarmt mich und drückt mich länger, als ich es sonst gewohnt bin. Mein Vater blinzelt mir zu und drückt mir einen Kuss auf die Stirn. Wir gehen in die Küche.
»Oh, schau mal, einen Kuchen hat sie uns gebacken! Und diese Blumen! Ach wie schön!«
Und ich werde wieder abgeküsst. Die beiden sehen gut aus, gebräunt, erholt, zufrieden.
»Erzählt!«, fordere ich sie auf.
Und sie erzählen. Von der Gastfreundschaft, vom Tauchen, von einem holländischen Ehepaar, das sie kennengelernt haben, von der Aussicht aus dem Hotelzimmer und vom Essen, von romantischen Strandspaziergängen, wo ich sie ermahnen muss, nicht zu sehr ins Detail zu gehen, von Spa und Yoga und noch mal vom Essen.
Währenddessen haben wir den halben Kuchen verspeist und Papa hat Tee für uns gekocht.
»Und du? Alles gut bei dir gewesen?«, fragt Mama.
»Ja. Klar. Nicht so aufregend wie bei euch natürlich«, lüge ich.
Ich werde ihnen alles beichten müssen, aber jetzt noch nicht. Sie sollen erstmal ankommen. Falls sie sich nämlich furchtbar aufregen, gibt es hier kein Spa und Yoga, um sie wieder runterzuholen.
Maja holt ihre Sachen einen Tag später ab. Wir sitzen in meinem Zimmer und Maja spielt mir wieder irgendeine neue Band vor.
»Weißt du, vielleicht fällt das gar nicht auf, ich meine, kannst du nicht zu einem Arzt gehen und den bequatschen, dass er dir ein Attest ausstellt?«, schlägt Maja vor.
»Nein. So etwas kannst du. Ich bin da nicht gut drin.«
»Na bitte, dann nicht, aber deine Eltern werden ausflippen. Das ist ja auch echt süß, irgendwie. Mein Vater flippt nie aus. Der grummelt immer nur. Nuschelt da was in seinen Bart zusammen. Na ja.«
»Sie werden mit Sicherheit ausflippen. Aber ich schätze, das hab ich dann auch ein bisschen verdient.«
»Sie machen sich nur Sorgen. Aber sag
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