Ich zog mit Hannibal
fort, »denn hundert Talente, so hört man, ließ er sich für seinen Auslieferungsantrag von den Römern bezahlen.«
»Das ist gelogen!«, rief Myrkan. Sein Einspruch ging in Hassgeschrei unter. Hannibal sorgte für Schweigen. »Grüßt seinen Papagei!«, rief er den beiden zu.
Jeder im Lager wusste, dass die Hanno-Partei ihrem Anführer einen Papagei geschenkt hatte, der sagen konnte: Hanno hat immer Recht. »Vom Papagei versteh ich, dass er nachplappert, was man ihm beigebracht hat«, spottete Hannibal weiter, »aber dass Hanno nichts Besseres zu sagen weiß, als was ihm die Römer einblasen, setzt mich in Erstaunen. Grüßt Hanno, den Papagei, von mir!«
Gelächter schlug hinter Myrkan und Barmokar zusammen, als sie weggingen. Karthalo trommelte außer sich vor Begeisterung auf mir herum. Er tat mir weh und merkte es nicht. Ich konnte nicht lachen. Mein Blick war auf Silenos gestoßen, dessen Gesicht nicht verriet, was er dachte. Als das Gelächter verstummt war, wandte sich Hannibal an den Boten aus Karthago: »Wie ging es weiter mit den Römern? Mit dem Rat der Hundert?«
Da sagte der Mann: »Nachdem der überflüssigen Reden ein Ende war, fragten die Unsern, was die Römer nun wollten, denn Hannibal bekämen sie nicht. Und der Wortführer der Römer griff mit beiden Fäusten in seine Toga und erklärte: In einer Falte halte er Krieg, in der anderen Frieden. – Gebt, was ihr wollt!, verlangten die Unsern. Da machte der Römer die rechte Faust auf und schrie: So nehmt denn Krieg!«
»Hört ihr – Krieg!«, schloss Hannibal. »Sie sollen ihn haben.«
»Krieg!!«, brüllten die Tausende, die den Hügel umstanden. Die Vordersten stürmten auf Hannibal los und hoben ihn auf die Schultern. Ich verlor Karthalo im Gedränge. Hannibal wurde den Hügel hinabgetragen, auf das Lager zu. Aus dem Menschenstrom, der ihn begleitete, brandeten Rufe auf: Hannibal hat Recht!
10
Silenos und ich blieben auf dem Hügel. Wir standen neben den nackten Pfählen. Silenos war bleich. Ohne ein Wort schlug er den Weg zur Elefantenfurt ein. Dort setzten wir uns an der gleichen Stelle wie beim ersten Mal. In meinem Kopf ging vieles wirr durcheinander. Ich konnte nicht glauben, dass Hanno, ein Karthager, die Auslieferung Hannibals gefordert haben sollte. Silenos bestätigte es, aber er sagte kein Wort gegen Hanno. Er nahm ihn in Schutz: »Hanno konnte nicht anders handeln. Er ist einer vom alten Schlage. Die Phönizier, von denen die Karthager stammen, waren von jeher gute Kaufleute, keine Krieger. Ihnen lag nichts daran, Land zu erobern – sie befuhren die Meere. Sie hießen die roten Männer, weil sie vor allem Purpur handelten. Als der Schwarm aus dem Purpurland sich in Afrika festsetzte, um Karthago zu gründen, bezahlten sie für das StückLand, das sie brauchten, um eine Stadt und einen Hafen zu bauen. Überall, wohin sie kamen, bezahlten sie: für Zinn und Silber, für Goldstaub und Elfenbein, für Löwenfelle und Hölzer. So waren sie überall gern gesehen. Sie bezahlten für alles – das war ihre Art zu erobern. Sie brachten den Strom der Güter in Fluss: Bernstein aus dem Norden gegen Gold aus dem Süden, Weihrauch aus dem Osten gegen Schiffstaue aus dem Westen; jeder fuhr dabei gut. Für sie selber fiel natürlich am meisten ab, aber dafür nahmen sie auch etwas auf sich. Ihre Schiffe wagten sich bis zu den Inseln weit vor den Toren des Herkules. Sie kamen sogar bis in das geheimnisvolle Land Agisymba, in dem sich die Flusspferde sammeln. Ein Karthager namens Mago durchquerte die große Wüste dreimal, unbekümmert um Sandstürme und Wegelagerer, die sich an Oasen aufhielten. Andere stießen vor bis in Breiten, in denen im Winter Eis auf dem Meer liegt; und einem gelang es, mit seiner Mannschaft Afrika zu umrudern, und eben das, was in ihrem Bericht am unglaublichsten klingt, beweist, dass ihnen das Unerhörte geglückt war: Die Sonne, die sich Tag für Tag zu ihrer Linken erhoben hatte, ging eines Tages zu ihrer Rechten auf. Sie hatten Afrika umschifft. Karthager waren zu allen Zeiten Seefahrer, Entdecker, Wüstenwanderer, Kaufleute – nicht aber Soldaten. Wenn es nötig war, sich zu wehren, kauften sie Söldner. Aber der Krieg war ihnen verhasst. Sie versuchten so rasch wie möglich damit fertig zu werden. Feldherrn, die sich verrechneten, straften sie hart. Es ist wahr, sie schlugen ihre eigenen Feldherrn, wenn sie eine Schlacht verloren, ans Kreuz.«
»Und das findest du gut?«
Nicht ich war es,
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