Ich zog mit Hannibal
Bogenschützen mit ihren Schuppenpanzern und Bügelhelmen gesehen, die Schwertkämpfer mit den gebogenen Schilden, die unabsehbaren Reihen der Reiter und bei den Karthagern verbreiteten sich Gerüchte, dass jenseits der Trebia eine Übermacht stehe. Selbst bei den Offizieren gab es bedenkliche Gesichter. Hannibal versammelte die Offiziere um sich. »Warum, wenn die Römer so stark sind, haben sie sich bis jetzt in ihrem Lager verkrochen?«, fragte er spöttisch. »Möglich, dass sie in der Überzahl sind – was besagt das? Je mehr lebende Römer heute da drüben, umso mehr tote Römer morgen hier. Und ist dort drüben etwa ein Maharbal, ein Monomach, ein Mago? Haben sie einen Suru?«
Nach diesen Fragen gab Hannibal den Offizierendie Befehle für die Schlacht: Numidische Reiter sollten während der ganzen Nacht die Römer beunruhigen und sie um den Schlaf bringen. Am Morgen sollten weitere Reiter zu Scheinangriffen übergehen, dem Gegenstoß der Römer ausweichen und sie über die Trebia locken. »Sie werden ein Morgenbad nehmen, nicht wir. Sie werden in Eispanzern ankommen, die sie am Kämpfen hindern und die splittern, wenn wir sie treffen. Was wollt ihr mehr?«
Als die Offiziere zu ihren Söldnern zurückkehrten, waren ihre Bedenken verflogen. Sie zweifelten nicht mehr am Ausgang der Schlacht. Ihre Zuversicht griff auf die Mannschaften über. Jedermann war sicher, dass es für die Römer kein Entrinnen gäbe.
In der Nacht begann es zu regnen. Die Römer waren den kalten Schauern auf freiem Feld ausgesetzt. Sie brachten die Nacht in Waffen zu, denn numidische Reiter umschwärmten sie unaufhörlich. Die Söldner Hannibals lagen in ihren Zelten. Zwei Stunden vor Tagesanbruch ließ Hannibal wecken, Feuer anzünden, an denen sich die Söldner wärmen konnten; er ließ auch Öl ausgeben. Wir alle rieben uns ein und hatten nun eine zweite Haut gegen Nässe und Frost. Die Kälte nahm mit dem Morgengrauen zu. Jeder bekam reichlich zu essen und heiße Getränke.
Der Tag brach an. Es war der kürzeste Tag des Jahres. Ausgeruht und mit allem versorgt, rückten die Truppen Hannibals in ihre Stellungen an der Trebia ein. Mago bezog mit seinen Reitern den Hinterhalt. Die Elefanten, gut im Futter, warteten in Panzern und Decken, um Suru geschart. Es gab kein Palaver. Sie standen in starrem Schweigen, als wüssten sie, was bevorstand.
Die Trebia rauschte unheimlich. Für gewöhnlich ein seichter Fluss, war sie vom Regen angeschwollen und die schmutzigen, kalten Wasser reichten Pferden bis an die Flanken und Männern bis an die Brust.
Nur zögernd wurde es heller. Die Elefanten hielten sich hinter einer flachen Höhe bereit, in eine Reihe auseinander gezogen. Wir konnten eben über die Höhe wegsehen, über die Trebia auf das weite Feld, über das die Römer herankommen mussten. Wir hörten das Geschrei der numidischen Reiter, die abwechselnd angriffen und flohen. Ihr Geschrei nahm zu; es verriet, dass sie sich der Trebia näherten. Römische Reiter drängten sie zurück und schlugen sie in die Flucht.
»Sie kommen«, hörte ich Karthalo hinter mir sagen.
Hinter unseren Reitern, die ihre Pferde durch den Fluss trieben, sah ich die Verfolger. Sie kehrten an der Trebia um. Doch dann kamen die Römer in breiter Front. Die vordersten Reihen stiegen in den Fluss. Bis an die Brust reichte ihnen das Wasser. Ein Hagel von Speeren und Pfeilen überschüttete sie. Dann wichen unsere Schleuderer und Bogenschützen zurück und die Römer wateten durch die eisigen Wasser der Trebia, die Waffen über ihren Köpfen.
»Sie gehen in die Falle«, keuchte Karthalo, bebend vor Erregung. »Nun bekommen wir sie.«
Die Römer drangen in unsere Reihen. Reiterkeile stießen vor. Menschen und Pferde verknäulten sich. Dann war nichts mehr zu unterscheiden. Der Regen ging in Schnee über. Gebrüll verriet, dass die Erbitterung auf beiden Seiten wuchs. Noch rückten die Römer vor.
»Nun wird Mago sie fassen und dann kommen wir.« Karthalo schüttelte mich an den Schultern. Ich spürte ein Würgen im Hals. Zwischen meinen Knien war am Sattel die Tasche festgemacht, in der Meißel und Hammer griffbereit steckten. Eine Handbreite von ihr entfernt, unmittelbar hinter der hohen Schädelwölbung, war das rote Zeichen zwischen den Ohren. Es sah aus, als sei dort ein Pfeil eingedrungen. Wie Blut sah es aus – ich sah nichts außer diesem blutroten Zeichen. Der Kampflärm nahm zu, er schlug wie eine Brandung über den Hügel. Da kam der Befehl für
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