Ich zog mit Hannibal
Er ist für den Krieg verdorben. Immer wird er nun davonlaufen.«
Karthalo machte sich und mir und Suru unaufhörliche Vorwürfe. Er stieß mit dem Fuß gegen den Stachelpanzer, der auf der Erde lag. In diesem Augenblick ging ein Ruck durch Suru. Auch wir fuhren auf. Hinter uns hörten wir Lärm. Versprengte Römer, ein Haufe von wenigstens hundert Mann tauchte aus dem Schneetreiben auf und hastete auf uns zu. Sie alle hatten Waffen. Ich war unfähig, mich von der Stelle zu bewegen. Auch Karthalo stand angewurzelt. Da schob sich Suru an uns vorbei. Er begann zu grollen. Er hob den Rüssel und brüllte und griff die Versprengten an, dass die Erde bebte. Sie warfen entsetzt ihre Waffen weg, wir sahen sie laufen, bis sie im Schneetreiben verschwanden. Suru kam zurück und stellte sich neben Decke und Panzer, noch immer grollend.
Karthalo fasste sich. »Nun muss ich mich waschen«, sagte er beschämt. »Ich hatte Angst.« Er ging zum Wasser hin, aber er fand es zu kalt. Dann machten wir uns daran, die weggeworfenen Waffen zu sammeln: Lanzen und Schwerter, die kurz waren und zwei Schneiden hatten. An den Waffen war Blut. Wir bündelten sie und luden sie Suru auf. Es waren fünf schwere Bündel. Karthalo überließ es Suru, den Weg ins Lager zu suchen: Zwei Stunden später kamen wir dort an. Suru wurde als Held bestaunt.Karthalo stellte sich für alle Lobreden taub. Doch schichtete er die erbeuteten Waffen auf, damit jeder sie sehen konnte.
Mehr und mehr Söldnerhaufen rückten ins Lager ein. Die Schlacht war entschieden. Es hieß, dass die Hälfte der Römer, die über die Trebia gerückt waren, tot auf dem verschneiten Feld lag. Die Übrigen hatten ihr Heil in der Flucht gesucht.
Niemand verfolgte sie. Der mörderische Kampf hatte die Kräfte der Karthager erschöpft. Auch von ihnen waren viele gefallen, in jedem Haufen gab es Lücken; und etwa die Hälfte der Bundesgenossen war im Schneetreiben verschwunden.
Gegen Abend sammelten sich die Elefanten, die Übrig geblieben waren, um Suru. Es waren sechs. Die Übrigen lagen tot auf dem Schlachtfeld, zehn graue Hügel inmitten von Toten. Die sechs Überlebenden waren verwundet. Alle hatten Blut verloren und die Nacht, die mit grausamer Kälte kam, raffte sie alle dahin.
Suru war der Einzige, der nicht erfror. Am Morgen nach dem Sieg hatte Hannibal nur noch einen Elefanten.
28
Der Winter gab der Trebia Eisränder, er begrub das Lager unter Schnee. Anhaltender Frost ließ das Land erstarren. Es sah aus, als werde es nun immer Winter bleiben. Schnee und Eisränder schmolzen wochenlangnicht – aber das Heer schmolz dahin. Viele der Bundesgenossen erbaten Urlaub oder verschwanden, ohne erst nach Ausflüchten zu suchen. In Karthalos Augen waren sie »Schlamm, der von Regen weggeschwemmt wird«, und die Römer waren für ihn »Dreck, der durch die Finger quillt, wenn man zufasst«. Er haderte mit dem Krieg: »Ein fauler Krieg!« Es wollte ihm nicht in den Kopf, dass Hannibal Schlacht um Schlacht für sich entschied und nicht auf Rom loszog. Vor allem hörte Karthalo nicht damit auf, Suru und mir und sich selbst Vorwürfe zu machen: Er und ich und du haben versagt! – Obgleich Suru als einziger Elefant, der durchgekommen war, auch von den Karthagerhaufen bewundert wurde, denen er Verluste zugefügt hatte. Die Söldner sahen in Suru einen Bürgen dafür, dass auch sie den Krieg überdauern würden. Um die Waffen, die von Suru erbeutet worden waren, hatten sich alle gerissen. Er war aus einer Schlacht, die alle anderen Elefanten verschlungen hatte, ohne Wunden hervorgegangen und nun hielten ihn die Söldner für unverletzlich und verwöhnten ihn so sehr, dass Karthalo Einspruch erhob.
Karthalo litt seit der Schlacht an einer Wunde, die tief in ihm saß. Er sah es als seine Schuld an, dass die Römer »hinter verfluchte Berge, verfluchte Flüsse und verfluchte Sümpfe« hatten entweichen können, und weder Silenos noch befreundete Indos konnten ihn von diesem Gedanken abbringen. Synhal sagte ihm eines Tages: »Du musst darüber hinwegkommen, wie Suru darüber wegkam, nur du selber kannst dir helfen.«
Für solche Worte war Karthalo taub. Dagegen fing er begierig jede Nachricht über den Krieg auf.
Sempronius, der Konsul, der die Schlacht herbeigeführt hatte, war nach Rom entkommen. Dort hatte das Eintreffen des geschlagenen Feldherrn Bestürzung hervorgerufen, wie Späher berichteten. Zwei neue Konsuln waren gewählt und mit neuen Legionen in die Winterlager
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