Idol
Geständnisses werde ich als Komplizin gehängt werden.«
»Daran habe ich nicht gedacht.«
Wäre sie nicht meine Herrin, würde ich ihr sagen, daß mich das nicht verwundert, denn sie denkt nie viel an andere. Nicht,
weil sie nicht großherzig wäre, sondern weil sie zu sehr verehrt worden ist. Von frühester Jugend an. Diese Sitzungen auf
der Terrasse in Gubbio! …
»Und auch Marcello wird gehängt werden!« sage ich.
»Aber er hat doch mit diesem abscheulichen Mord nichts zu tun«, ruft sie, »er ist in Amalfi und hat das Billett nicht geschrieben!«
»Es wird heißen, daß er heimlich nach Rom zurückgekehrt ist und daß er seine Handschrift verstellt hat. Und wenn Ihr, Signora,
Eure Liaison mit Paolo enthüllt, wer soll dann in Rom noch glauben, daß Ihr nicht auch an der Ermordung Eures Gatten beteiligt
wart?«
»Oh, wie unwürdig! Diesen Verdacht könnte ich nicht ertragen! Lieber bringe ich mich um!«
»Dann werdet Ihr verdammt sein, Signora. Und Euer Tod |247| wird die Richter in keiner Weise daran hindern, uns zu hängen, Marcello und mich. Seht, Signora, der einzige Überlebende in
dieser Geschichte wird der Fürst sein. Er wird sich völlig unbeschadet aus dieser Affäre ziehen. Ihr glaubt doch nicht, daß
der Papst ihn in seiner Festung Montegiordano anzugreifen wagt! Das alles erreicht Ihr mit Eurer Rache, Signora! Bedenkt also
die Folgen: der Fürst frisch und munter in seinem schönen Palast, und tief unter ihm vier Tote – Ihr, Marcello, ich und die
Sorghini.«
»Die Sorghini?«
»Natürlich. Ist nicht auch sie Eure Komplizin, da sie Euch ihr Haus zur Verfügung gestellt hat?«
»Du hast recht«, sagt die Signora und sinkt erschöpft in einen Sessel.
Langsam geht ihr die Wahrheit auf. Sie muß der Heldenrolle einer Ehebrecherin, die öffentlich ein Schuldbekenntnis ablegt
und als Heilige stirbt, entsagen.
»Hinzu kommt«, fahre ich fort, »daß nach Euerm Tod alle Römerinnen dem Fürsten nachlaufen und sich ihm an den Hals werfen
werden.«
»Caterina, sprich nicht mehr von diesem abscheulichen Menschen!«
Ich habe ihr offenbar sehr weh getan, aber sei’s drum! Sie muß etwas tun! Es geht auch um die anderen! Seit Beginn des Gesprächs
zittern mir die Knie und sträuben sich mir die Haare, als zöge sich schon die Schlinge um meinen Hals zusammen.
»Signora, wo habt Ihr den Schlüssel zum Haus der Sorghini versteckt?« frage ich nach einer Weile.
»In meiner Schmuckkassette. Was willst du damit machen?«
»Ihn in Marcellos Zimmer bringen.«
»Warum?«
»Wenn der Schlüssel bei Marcello gefunden wird, wundert sich niemand. Bei Euch dagegen …«
»Du denkst also«, flüstert sie mit verlöschender Stimme, »daß mein Zimmer durchsucht wird?«
»Ich bin sicher.«
»Wie kannst du dessen so gewiß sein?«
»Ach, Signora, ich bin die kleine Schwester des
mancino
. Und Polizeigeschichten habe ich mein ganzes Leben lang gehört.«
|248| »Mach, was du willst«, sagt sie müde.
Mühelos finde ich den Schlüssel zur Seligkeit (die von so kurzer Dauer gewesen ist, arme Signora!) in der Schmuckkassette,
wo er glanzlos inmitten all der Perlen, Edelsteine und goldenen Geschmeide liegt.
»Bitte, Signora, riegelt Eure Tür hinter mir zu, damit keiner eindringen kann, und macht mir wieder auf, wenn ich zurückkomme.«
»Geh«, sagt sie.
Auf dem Hin- und Rückweg begegne ich keiner Menschenseele. Alle sind im großen Saal um den Toten versammelt, seinen Aufbruch
in eine bessere Welt zu beweinen und – sofern es sich um die Dienerschaft handelt – um ihre Zukunft zu bangen: wer wird sie
jetzt, da der Kammerherr Seiner Heiligkeit nicht mehr am Leben ist, bezahlen?
Ich kehre zurück, rufe nach der Signora, sie macht mir auf, und ich finde das Zimmer hell erleuchtet. Während meiner Abwesenheit
hat sie die Kerzen auf dem Frisiertisch angezündet und ist nun damit beschäftigt, auf einer Schale die von Marcello überbrachten
Briefe zu verbrennen. Ich sage nichts, zufrieden, daß sie ihren Schutz endlich in die eigenen Hände nimmt. Und während sie
tränenlos und mit unbewegtem Gesicht zusieht, wie diese Briefe, die sie vor kaum zwei Wochen so begierig gelesen hat, zu Asche
werden, überlege ich bereits, daß wir für den Auftritt vor dem Bargello unsere Instrumente auf den gleichen Ton stimmen müßten.
Als ich am nächsten Tag sehe, wie sich der Bargello mit Filippo in einem kleinen Raum einschließt, vermute ich, daß ich auch
bald vernommen
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