Idol
und wiederholte nur immer das gleiche.«
»Ich verstehe«, sagt der Bargello.
Er verschränkt die Hände auf dem Rücken und sieht mich schweigend an, und zum ersten Mal, seit er mich verhört, bekomme ich
Angst.
»Das ist alles schön und gut, meine Schöne.«
Der Satz gefällt ihm offenbar, denn er wiederholt ihn:
»Das ist alles schön und gut, meine Schöne. Du sagst die |253| Wahrheit, davon bin ich überzeugt. Ja, du sagst mir die Wahrheit. Das heißt, beinahe …«
Schweigen, ein durchdringender Blick, und er fährt fort:
»Und du bist ein gutes Mädchen, Caterina. Du hast ein gutes Herz. Du liebst deine Herrin sehr. Du liebst den
mancino
sehr. Und bestimmt gibt es auch noch einen anderen, den du sehr liebst, vielleicht sogar in diesem Zimmer. Aber das ist jetzt
nicht wichtig. Ich bin nicht dein Beichtvater. Nur …«
Er sieht mich an, zieht ein schiefes Gesicht und schweigt, als warte er auf meine Frage. Doch ich sage nichts. Vielleicht
ist das ein Fehler. Aber ich bin unfähig, den Mund aufzumachen. Ich spüre, wie mir ein leichter Schauer über den Rücken läuft.
»Nur«, sagt er, »eine Sache wundert mich. Wenn die Signora Signor Peretti
wirklich
am Weggehen hätte hindern wollen, so hätte sie wohl auch das Mittel dazu gehabt.«
Auch hier wartet er wieder auf meine Frage, und wieder sage ich nichts. Und diesmal bin ich mir ganz sicher, daß es falsch
ist, nichts zu sagen. Obwohl ich wütend über mich bin, schweige ich. Ich kann nicht anders.
»Du fragst gar nicht, welches Mittel?«
»Doch«, sage ich schwach, »welches denn?«
»Also, Caterina, du kennst es ganz genau. Warum fragst du, wenn du es kennst?«
»Ich soll Euch eine Frage stellen, Signor Bargello«, entgegne ich unwillig, »und wenn ich es tue, tadelt Ihr mich!«
Er lacht, doch eher freundlich als spöttisch.
»Sieh mal einer diese Schlaubergerin!« ruft er. »Keine Ausflüchte, Caterina! Antworte mir offen. Was hättest du an der Stelle
der Signora getan, um deinen Mann zurückzuhalten? Denk daran, daß er noch wenige Minuten zuvor die Nacht mit dir verbringen
wollte.«
»Ach, Signor Bargello, warum stellt Ihr mir diese Frage, wo Ihr doch die Antwort wißt? Aber ich bin nicht die Signora. Die
Signora ist eine Königin! Hat sie einmal nein gesagt, fällt es ihr nicht leicht, ihren Sinn zu ändern.«
»Soll das heißen, daß sie nicht einmal daran gedacht hat?«
»Doch«, antworte ich schnell, »aber zu spät. Er war schon weg. Und sie hat es bitter bereut, daß ihr die Idee nicht früher
gekommen ist.«
|254| Obwohl ich das mit ehrlicher Miene sage, ist es wahr und unwahr zugleich. Wahr ist, daß sie es jetzt bedauert; unwahr ist,
daß sie es damals bedauert hat. Ich bin sicher, damals ist ihr dieser Gedanke überhaupt nicht in den Sinn gekommen.
Ich weiß nicht recht, ob der Bargello mir glaubt oder nicht. Sein Blick ist unergründlich. Nach einer Weile zuckt er nur die
Achseln, als seien all diese Vermutungen im Grunde genommen von geringem Interesse. Dann wechselt plötzlich sein Gesichtsausdruck,
und er sagt mit unbeteiligter Miene, aber einem gleichsam genießerischen Lächeln um die Mundwinkel:
»Zeig mir jetzt die Narbe an deiner rechten Schulter, die du sozusagen Signor Peretti verdankst!«
»Zweifelt Ihr daran, Signor Bargello?«
»Ich zweifle so lange, bis ich die Narbe gesehen habe.«
»Wie Ihr wollt, Signor Bargello.«
Und mit ein wenig Koketterie, aber ohne zu dick aufzutragen, knöpfe ich langsam mein Mieder auf. Der Mund des Bargello erscheint
mir jetzt ausdrucksvoller als seine Augen – aus dem einfachen Grunde, weil ich seine Augen gar nicht mehr sehe: er hat die
Lider gesenkt, um mich beim Ausziehen zu beobachten.
Als er endlich mit der Hand über meine Narbe streicht, stelle ich erstaunt fest, wie zärtlich er mich mit sanften Fingern
berührt.
»Ehrlich, ich könnte nicht entscheiden«, sagt er lachend, »ob diese Narbe einen Monat oder ein Jahr alt ist und ob sie von
einem Degen oder einem Dorn herrührt. Vielleicht hat jemand nur mit einer Rose nach dir geschlagen. Du bist ein gutes Mädchen.
Und du hast nicht nur ein gutes Herz, Caterina, die Hülle drumherum ist auch nicht schlecht.«
Bei diesen Worten streichelt er meine linke Brust, was mich vom Kopf bis in die Zehenspitzen erschauern läßt. Wie habe ich
vor ihm gezittert!
Dio mio
, das ist jetzt vorbei. Er zieht mich weiter aus, und ich lasse ihn gewähren.
Madonna mia
, die Fragen, die er mir gestellt
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