Idol
werde, noch vor der Signora, hoffe ich, der ich geraten habe zu sagen, sie sei ab Mittag zu Auskünften bereit.
Ich möchte als erste drankommen, um ihr dann den Kammerton angeben zu können.
Ich gehe in mein Zimmer, um Toilette zu machen und ein Mieder mit eckigem Ausschnitt anzuziehen, das mir – aus ersichtlichen
Gründen – besonders gut steht. Ich überdenke alles genau und lasse die beiden obersten Knöpfe auf, nicht so sehr, um mehr
zu zeigen, sondern um den Blick des Bargello anzuziehen. Noch einmal gehe ich meine Rolle durch, und obwohl ich meiner im
Grunde recht sicher bin, zittere ich vor Angst, denn ich habe diesen Mann noch nie im Leben gesehen und |249| weiß nicht, mit wem ich es zu tun haben werde. Mein Herz klopft zum Zerspringen, als Pietro kommt und sagt, der Bargello erwarte
mich in Marcellos Zimmer. Ich weiß nicht, ob das gut katholisch ist: ich richte ein Stoßgebet an den lieben Gott, der Bargello
möge ein Mann sein, der etwas für Frauen übrig hat, nicht andersherum.
Der Bargello öffnet mir die Tür und läßt mich eintreten. Und als er hinter mir abschließt, sich umdreht und mich ansieht,
genügt dieser eine Blick: mein Gebet ist erhört worden.
Und das macht mir um so mehr Vergnügen, als ich ihn bei näherer Betrachtung gutaussehend finde, groß und schlank, mit breiten
Schultern und lockigem braunem Haar. Mit seiner Adlernase und seinen durchdringenden schwarzen Augen sieht er eher streng
aus, doch an seinem Mund kann man sofort erkennen, daß er kein Sauertopf ist. Mir entgeht auch nicht, daß er seinen Schreiber
weggeschickt hat, der noch bei Filippos Vernehmung dabeigewesen ist.
»Caterina«, sagte er mit ernster Miene (den Blick immer wieder auf mein Dekolleté gerichtet), »ich muß dir ein paar Fragen
darüber stellen, was in Santa Maria zwischen dem unglücklichen Signor Peretti und der Signora vorgefallen ist.«
»Das ist ganz einfach, Signor Bargello: sie haben sich gestritten. Die Signora warf dem Signore vor, sie in einer Einöde gefangenzuhalten,
nur weil sie einen Brief gelesen, den sie anschließend verbrannt und außerdem nicht beantwortet hat.«
»Wer hatte diesen Brief überbracht?«
»Signor Marcello. Er war damals der Sekretär von …«
»Keine Namen!«
Ich sehe ihn an. Hat der Fürst ein Glück! Man wird ihn weder in seinem Palazzo verhören noch überhaupt seinen Namen mit dieser
Untersuchung in Verbindung bringen.
»Haben sie sich nur deswegen gestritten?« fragt der Bargello, der meinen Blick genau verstanden hat und der sich nicht ganz
wohl in seiner Haut zu fühlen scheint, was ihn mir sympathisch macht. Ich halte ihn für jenen Typ von Polizisten, der ohne
Zaudern den Fürsten in seinem Palast inmitten all seiner Verbannten verhören würde, erhielte er nur den entsprechenden Befehl.
»Nein, Signor Bargello. Es gab außerdem Streit aus folgendem Grund: In Santa Maria hatte es die Signora vorgezogen, in |250| einem kleinen Haus am Steilufer statt im Palazzo zu wohnen. Eines Nachts war ein schreckliches Unwetter, und am nächsten Morgen
wurden in der kleinen Bucht unterhalb des Steilufers die Trümmer eines Bootes gefunden. Rasend vor Zorn, kam Signor Peretti,
den blanken Degen in der Hand, angestürmt. Die Signora und ich lustwandelten friedlich vor dem Häuschen, um die ersten Sonnenstrahlen
zu genießen. Signor Peretti ging mit gezücktem Degen auf uns los und brüllte, das Boot könne nur dem hohen Herrn gehören,
der an die Signora geschrieben hatte. Ich werfe mich zwischen die beiden. Ohne es zu wollen, verwundet mich der Signore leicht
an der Schulter. Wollt Ihr die Narbe sehen, Signor Bargello? Die Signora ist außer sich, stürzt sich auf ihn, überschüttet
ihn mit Vorwürfen, und er geht weg. Zwei Tage später hat er sich entschuldigt, und die beiden haben sich versöhnt.«
»Wie?«
Ich mache ihm schöne Augen und frage:
»Was glaubt Ihr wohl, Signor Bargello, wie Eheleute sich versöhnen?«
»Ich weiß nicht, ich bin Junggeselle.«
Und er lacht. Ach, was für ein Lachen! Und der kleine schwarze Schnurrbart bewegt sich mit!
»Bene«
, sagt er, wieder ernst, »sprechen wir jetzt über die Nacht von Donnerstag auf Freitag. Wieso hat sich Signor Peretti über
die inständigen Bitten der gesamten Familie hinweggesetzt und war so wahnsinnig unvorsichtig, des Nachts allein auszugehen,
nur mit einem Degen bewaffnet? Niemand hier kann mir erklären, warum er das getan hat.«
Hier hält mir
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