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Idol

Idol

Titel: Idol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Engelsburg in meinem Haus. Und so Gott will,
     werde ich sie morgen heiraten.«
    Dann drehte er sich um, und Graf Lodovico wurde kreidebleich. Er knirschte wie wahnsinnig mit den Zähnen. Ich fragte mich,
     ob sich die oberen Zähne nicht in die unteren eindrücken würden. Wenn man es durchrechnet, ist er mit am meisten angeschmiert
     in dieser ganzen Affäre: er hat seinen Bruder Raimondo |296| und fünfzigtausend Piaster verloren, und der Fürst heiratet Vittoria!
    Der zweite Betrogene ist das Volk. Es hat den Adligen geholfen. Und als deren Rachedurst befriedigt war, haben sie es niedergemetzelt.
     Am Tag nach dem Massaker lief ein Franziskaner durch Rom und erzählte, in dem Moment, wo der Adel seine Kanonen gegen den
     Pöbel richtete, habe er den Teufel lachen hören. Wenn man ihm einen Piaster gab, beschrieb er dieses Lachen oder ahmte es
     sogar nach. Auf diese Art hatte er sich bis zum Abend ein kleines Vermögen gemacht. Am darauffolgenden Tag war er verschwunden,
     und er tat gut daran. Denn die Dummen, die auf ihn hereingefallen waren und von den Nachbarn ausgelacht wurden, suchten überall
     nach ihm, um ihn zu verprügeln.
    Den Streit zwischen Raimondo und dem Bargello am Tage des Scharmützels habe ich oft erzählen hören – von Leuten, die dabei
     waren oder auch nicht. Aber
eine
Drohung von Raimondo gegen den Bargello habe ich nie und von niemand wiederholen hören: »Wenn du uns nicht sofort unsere Männer
     herausgibst, werden deine Ohren das größte Stück sein, das von dir übrigbleibt.«
    Ich weiß nicht, wo Raimondo das aufgeschnappt hatte, denn er war nicht sehr intelligent. Auf keinen Fall intelligenter als
     ich. Aber er war ein guter Herr. Gewiß, er hat mir mehr Fußtritte als Piaster gegeben. Aber wenn wir zusammen feierten, teilte
     er alles mit mir: den Wein und die Weiber.
    Mit Ausnahme von Caterina Acquaviva. Die hat er nur mit Silla Savelli geteilt … Er liebte Silla (der schön war wie die Morgenröte)
     so sehr, daß man in Rom schon munkelte, der sei sein Favorit. Ich glaube das nicht. Aber schließlich, wenn man betrunken ist
     – wo ist da schon der Unterschied?
    Ich muß oft an die beiden denken. So junge Männer! So mutig! So lebenslustig! Und nun sind sie tot. Und beide so plötzlich,
     im Zustand der Todsünde. Das ist das Schlimmste. Ich bete nicht oft, aber wenn, dann bitte ich den Herrn, sie ins Paradies
     einzulassen. Ich weiß, Er allein ist der Richter, und Er allein hat die Waage, die Seelen zu wiegen. Dennoch: ein kleines
     Gebet auf der guten Waagschale – das kann nicht schaden.

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    |297| KAPITEL X
    Caterina Acquaviva:
     
    In der Engelsburg wurden wir nicht mißhandelt, und wir waren auch nicht schlecht untergebracht. Wir bewohnten zwei ausreichend
     große, miteinander verbundene Zimmer, deren einziger Nachteil die vergitterten kleinen Fenster waren. Unsere Mahlzeiten wurden
     uns abwechselnd von einer alten Nonne oder von einem jungen Nönnchen gebracht, das vielleicht zwanzig war. Die Alte senkte
     beim Betreten unserer Zimmer sofort die Lider, die sie erst im Hinausgehen wieder aufschlug, und nie erwiderte sie unseren
     Gruß.
    Am Anfang hielten wir sie für taub. Doch als ich einmal die Haarbürste auf den Fliesenestrich fallen ließ und sie bei diesem
     Geräusch zusammenfuhr, begriffen wir, daß ihre Taubheit vorgetäuscht war. Sicher fürchtete sie, unsere Sünden könnten durch
     Augen und Ohren in ihren Körper eindringen. Es fehlte nur, daß sie sich auch noch die Nase verstopft hätte.
    Das junge Nönnchen war recht hübsch, sprach wenig, lächelte aber gern und amüsierte sich über die geringsten Kleinigkeiten.
     Es wunderte mich, daß ein Mädchen noch so fröhlich sein konnte, nachdem es das Gelübde abgelegt hatte, nie einen Mann an sich
     heranzulassen. Sie schien mich sympathisch zu finden, weswegen ich sie immer bis zur Tür brachte und ihr dabei ein paar harmlose
     Fragen stellte, die sie in aller Unschuld beantwortete. So erfuhr ich, daß wir weniger und schlechteres Essen bekommen würden,
     hätte nicht Seine Eminenz Kardinal Montalto dem Kerkermeister Geld zukommen lassen. Als ich das der Signora berichtete, rief
     sie: »Also ist er mir immer noch zugetan!« und fing an zu weinen. Es waren gute Tränen, die ihr wohltaten.
    Gerade an dem Abend, da der Aufruhr begann, versorgte uns das Nönnchen. Ich hörte Geschrei und Pferdegetrappel und fragte,
     während ich sie zur Tür begleitete, nach dem Grund. Sie konnte oder wollte

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