Idol
zurück, damit die Kanonen das Tor zum Vatikan beschießen
können. Aber die Reiter reichen nicht aus. Zwei Reihen Fußsoldaten müssen diese Idioten zurückdrängen, die sich auch in Stücke
hauen ließen, um alles schön zu sehen.
Die Kanoniere bauen ihre Schutzvorrichtungen in aller |294| Gemächlichkeit auf, und weil das Volk »Schneller! Schneller!« schreit, läßt der Fürst ein Dutzend Soldaten mit einem Sturmbock
vorrücken, um das Tor zu rammen. Aber sie sind nicht sehr eifrig bei der Sache, das Ergebnis ist gleich Null. Das Volk bemerkt
dies schließlich und schreit: »Stärker! Stärker!« Und die Wildesten brüllen: »Laßt uns an den Sturmbock ran! Wir werden euch
zeigen, wie man’s macht!« Die Doppelreihe der Soldaten hat alle Mühe, die Leute zurückzuhalten.
Da erscheint eine weiße Fahne an dem Fenster des Vatikans über dem Tor, dem so wenig passiert ist. Schreie und Gebrüll! Gleich
darauf wird eine Schachtel an einem Seil herabgelassen.
»Sieh nach, Alfredo!« sagt Graf Lodovico mit blitzenden Augen.
Ich gebe meinem Pferd die Sporen und rufe einem Soldaten zu, den Sturmbock zu lassen und die Schachtel zu öffnen. Das tut
er: es ist der Kopf von Della Pace, aus dem abgetrennten Hals tropft noch das Blut. Ich ergreife ihn an den Haaren, halte
ihn nach unten und schaffe ihn in schnellem Galopp weg, voller Sorge, der Pöbel würde über mich herfallen und ihn mir entreißen.
Fürst Paolo ist unser General, und ihm bringe ich den Kopf. Er wendet sich angeekelt ab und will ihn nicht. Das gleiche beim
Marchese Giulio Savelli. Aber Graf Lodovico ist nicht so zimperlich. Er packt den Kopf an den Haaren, schwenkt ihn mit ausgestrecktem
Arm, läßt sein Pferd vor dem Pöbel tänzeln, zeigt den Kopf und schreit: »Della Pace! Della Pace! Sieg! Sieg!« Und da sich
alle auf ihn stürzen, wirft er ihnen den Kopf vor die Füße.
Was dann geschieht und was die Kanaillen mit dem Kopf machen, kann ich nicht wiedergeben. Allein beim Gedanken daran wird
mir übel.
Unter den Adligen herrscht Schweigen. Mir scheint, sie sind in dieser Minute nicht sehr glücklich. Schließlich war auch Della
Pace ein Edelmann. Von geringem, aber ehrenwertem Adel. Und ein ehrlicher, von allen geachteter Mann. Und daß Gregor XIII.
die unsägliche Feigheit besaß, diesen guten Diener für die Erhaltung seines Throns zu opfern, ekelt sie an. Ich selbst schäme
mich für den Papst. Und ich schäme mich auch für die guten Christen, die mit den Fußspitzen gegen den armen blutüberströmten
Kopf treten wie gegen einen Ball.
|295| Aber wer denkt, diese Trophäe würde die Menge beruhigen – weit gefehlt! Die guten Leute wissen sich nicht mehr zu lassen!
Schreie wie »Abdanken! Abdanken!«, »Nieder mit dem Tyrannen!«, »Tod dem Papst!« sind erneut zu hören. Sie schichten Reisigbündel
an einer der kleinen Türen zum Vatikan auf. Die Soldaten werden zurückgestoßen, man entreißt ihnen den Sturmbock, zehn bis
zwanzig Mann beginnen, gegen das Hauptportal anzurennen, und diesmal nicht zum Spaß.
Fürst Paolo macht kehrt und fragt die Edlen:
»Wollen wir das zulassen?«
Sie wollen es natürlich nicht! Nach dem Papst wären sie doch selbst an der Reihe! Einstimmige Antwort. Alle sind fest entschlossen.
Im Bruchteil einer Sekunde wechseln sie das Lager!
Fürst Paolo läßt seine Kanonen umdrehen und schießt ohne Warnung auf das Volk. In dieser dichten Menge haben die Kugeln eine
verheerende Wirkung, und kaum ist die erste Bestürzung vorüber, da folgt eine Musketensalve. Dutzende von Toten und Verwundeten!
Die Aufständischen ziehen sich zurück. Noch eine Salve! Man braucht nicht einmal zu zielen, es sind ja so viele! Sie fallen
wie die Fliegen! Der Platz ist übersät von Toten. Ein richtiges Massaker! Immer mehr wenden sich zur Flucht, und der Fürst
gibt seinen Gefolgsleuten Befehl zur Attacke. Das Sausen in der Luft, als alle auf einmal ihren Degen ziehen – ihren Kampfdegen!
Mit doppelter Schneide, die eine gute Ernte verspricht! Hiebe und Stiche für die, die nicht schnell genug wegrennen.
Als sich Graf Lodovico, dessen Blutdurst noch immer nicht gestillt ist, der Hetzjagd anschließen will, hält ihn der Fürst
zurück und sagt:
»Geh nach Hause,
carissimo
! Und hör bitte auf, den Machiavelli zu spielen. Ohne dich wäre das alles hier nicht passiert. Das viele Blut ist sinnlos
vergossen worden, glaube mir. Zur Stunde befindet sich die Gefangene aus der
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