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Idol

Idol

Titel: Idol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Umständen begleitet,
     die sie zum Skandal machen. Und ebendas, Durchlaucht, suggeriert dieses
precetto
in Eurem Fall. Die Schwäche seiner Argumentation besteht darin, daß es dies in verschleierten Andeutungen suggeriert, ohne
     es deutlich auszusprechen und ohne Eure Schuld festzustellen, ja sogar ohne den Versuch, sie festzustellen.«
    »Mangels Beweisen«, sagte ich. »Vielleicht auch mangels Überzeugung. Gibt es einen Ausweg, Pater?«
    »Nein. Ihr könnt nicht beim Papst gegen den Papst Berufung einlegen.«
    »Selbst dann nicht, wenn ich meine Unschuld beweise?«
    »Selbst dann nicht.«
    »Es ist also kein Einspruch möglich?«
    »Nach dem Tode Gregors XIII. könnt Ihr bei seinem Nachfolger Berufung einlegen. Dieser wird es vielleicht übertrieben finden,
     daß Euch Gregor XIII., weil ihm die Annullierung Eurer Ehe nicht genügte, auch noch eine Wiederheirat untersagt hat. Die Versuchung
     liegt nahe, daß er mit diesem
precetto
seinem Nachfolger die Hände binden wollte. Dieser könnte |331| daran Anstoß nehmen und Euch deshalb von besagter Klausel entbinden. Ihr könnt auch Vorteil aus dem Interregnum ziehen, das
     nach dem Tod Gregors XIII. bis zur Wahl eines neuen Papstes eintreten wird.«
    »Welchen Vorteil? Und wie denn?«
    »Das werde ich Euch erst sagen, wenn es soweit ist, Durchlaucht. Für heute bitte ich, mich beurlauben zu wollen.«
    Er erhob sich, und zu meiner großen Verwunderung zeigte sich auf seinen schmalen Lippen ein Lächeln, das schnell wieder verschwand,
     aber es war unzweifelhaft ein Lächeln gewesen.
    »Ihr habt viele Fragen gestellt, Durchlaucht. Und Ihr wart trotz Eures guten Willens ein undisziplinierter Konsultant. Aber
     das ist nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, daß Ihr durch den Kampf gegen die Piraten in der Adria selbst ein bißchen zum
     Piraten geworden seid. Gleichwohl gilt es jetzt nicht mehr, gegen den Feind anzurennen, sondern eine Tugend zu erlernen, die
     Euch abgeht: Geduld. Wollet Euch nicht beunruhigen, Durchlaucht, Euer Fall ist mitnichten hoffnungslos.«
    Er verneigte sich tief und schritt zur Tür.
    »Pater, Ihr habt das hier vergessen«, sagte ich und zog eine Börse aus meinem Wams.
    Luigi Palestrino kam hüpfend zurück, ergriff die Börse, flink wie ein Eichhörnchen, steckte sie ein, verneigte sich nochmals
     und verschwand durch die Tür wie weggezaubert. Er war als Theologe so berühmt, daß man von allen Enden der christlichen Welt
     herbeiströmte, um ihn zu konsultieren. Bei solcher Gelegenheit wurde er zweifellos großzügig beschenkt, was er nicht zur Bedingung
     machte, aber auch nicht ablehnte, wie ich feststellen konnte. Ich fragte mich, wofür er das Geld verwendete. Sicherlich nicht
     fürs Essen.
    An jenem Abend sah ich zum ersten Mal seit meiner Ankunft in Rom einen Hoffnungsschimmer. Luigi Palestrino hatte recht: ich
     war bislang zu sehr darauf aus gewesen, die gegnerische Galeere zu entern, auch im Falle des Vatikans. Nun, da meine Enterhaken
     verloren waren, mußte ich Abwarten, Verzögern, Intrigieren und all die anderen Listen erlernen, die in Friedenszeiten gebraucht
     werden.
     
     
    |332|
Domenico Acquaviva (il mancino):
     
    Ich war zu vorgerückter Stunde in meinem Zimmer im »Ölberg« mit der Abrechnung beschäftigt, wir hatten nur noch wenig Kunden
     und zudem solche von der fügsamen Art, die sich ohne Aufmucken ausnehmen lassen; da teilte mir die Sorda mit, es seien vier
     bewaffnete Reiter gekommen, ein fünfter bewache im Stall ihre Pferde.
    »Wie sind sie bewaffnet?«
    »Degen, Dolch und Pistolen am Gürtel.«
    »Teufel! Sind es Banditen?«
    »Nach ihren Reittieren zu urteilen nicht.«
    »Du hast sogar einen Blick in den Pferdestall geworfen? Du hast ja Grips in deinem hübschen Kopf,
cocca mia
1 .«
    »Ich habe auch Grips in meinem hübschen Arsch«, sagte sie lachend.
    Im allgemeinen schätze ich es nicht, wenn meine Mädchen ordinär reden. Aber dieses eine Mal ließ ich es durchgehen.
    »Und was hast du im Pferdestall gemacht?«
    »Die schönen Pferde gestreichelt. Ihr Fell war trocken. Sie kommen also nicht von sehr weit her.«
    »Dann sind sie aus Rom. Wer bewacht sie?«
    »Ein Kalabrier, aber für einen Diener sehr ordentlich gekleidet: ein ledernes Wams.«
    »Du hast dich also an ihn rangemacht, um ihm die Zunge zu lösen.«
    »Ich konnte überhaupt nichts lösen, weder seine Zunge noch seinen Hosenlatz. Der Sauertopf hat mich zurückgestoßen und gesagt,
     er sei verheiratet und treu.«
    »Und die vier in

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