Idol
zum Podestà und seinen Beamten aufgewogen wurde,
war schwer zu sagen. Als ich den Palazzo Cavalli besichtigte, stellte ich fest, daß es ein leichtes sein würde, die Fenster
im Erdgeschoß aufzubrechen, und ich beschloß, sie sofort vergittern zu lassen. Doch es ging auf Weihnachten zu, und |434| die guten Leute von Padua begannen bereits, das Fest vorzubereiten, so daß die Sache zunächst aufgeschoben werden mußte.
Wir waren kaum acht Tage in der Stadt, als die Herzogin ein Schreiben von Lodovico Orsini, Graf von Oppedo, erhielt: er wolle
sich mit ihr treffen. Signor Marcello war der Auffassung, wir sollten ihn weder vorlassen noch überhaupt einer Antwort würdigen.
Nach meiner Meinung befragt, sagte ich, man solle ihm höflich mitteilen, daß uns eine solche Begegnung wenig sinnvoll erscheine.
Doch die Herzogin war anderer Ansicht. In seinem Schreiben hatte sich der Graf als Beauftragter des Fürsten Virginio vorgestellt,
und sie wollte den neuen Herzog von Bracciano nicht dadurch beleidigen, daß sie sich weigerte, seinen Beauftragten zu empfangen.
Lodovico Orsini, dieser Bandit und Erztaugenichts, verstand sich auf effektvolle Auftritte, das muß man ihm lassen. Seine
Figur, seine Gesichtszüge, sein Gang – alles verriet eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Fürsten, die jedoch durch seinen verschlagenen
Blick sofort wieder zunichte gemacht wurde. Er trug ein elegantes Wams mit gelb abgefütterten Schlitzen und hatte nach Art
der römischen Galane einen Zipfel seines Mantels über den linken Arm geschlagen. Hoch erhobenen Hauptes betrat er den großen
Saal im Palazzo Cavalli und grüßte die Herzogin mit einer augenscheinlich sehr respektvollen Verneigung. Dann würdigte er
ihren verstorbenen Mann in warmen Worten, die darauf abzielten, ihr Wohlwollen zu erringen, was ihm auch wirklich gelang,
obwohl seine Worte pure Heuchelei waren, so sehr stand ihre scheinbare Herzlichkeit in krassem Widerspruch zu seinem kalten
Blick.
Nachdem er eine halbe Stunde lang wie ein Kätzchen geschnurrt und seine Samtpfötchen gezeigt hatte, ließ er schließlich die
Krallen sehen.
»Mein Cousin, der Herzog von Bracciano, hatte ein silbernes Tafelgeschirr in Verwahrung, das mir gehört«, sagte er. »Ich möchte
es gern zurückhaben, Signora.«
Die Herzogin sah mich stirnrunzelnd an, und ich erwiderte:
»Es stimmt, Frau Herzogin. Aber dieses Service war das Pfand für einen Schuldschein des Herrn Grafen, den er beim Fürsten
nie eingelöst hat.«
»Es liegt ja wohl auf der Hand, daß mit dem Tode des Fürsten diese Schuld hinfällig geworden ist«, antwortete der Graf.
|435| »Das liegt überhaupt nicht auf der Hand«, entgegnete Signor Marcello, der gerade das Zimmer betrat.
Und ohne den Grafen eines Blickes oder Grußes zu würdigen, fuhr er fort:
»Das Gegenteil trifft zu. Da diese Schuld nicht beglichen wurde, sind jetzt die Erben des Fürsten die Gläubiger, also Fürst
Virginio und Ihr, Vittoria.«
»Genau!« sagte Lodovico. »Ich bin von Fürst Virginio mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt worden; hier der Brief,
der es bestätigt.«
Er händigte der Herzogin den Brief aus. Sie las ihn und übergab ihn ihrem Bruder, der ihn seinerseits – nachdem er ihn zur
Kenntnis genommen hatte – an mich weiterreichte. Es handelte sich um ein recht allgemein gehaltenes Schreiben, das in keiner
Weise präzisierte, wie weit die Befugnisse des Grafen tatsächlich gingen.
»Hier meine Entscheidung, Graf Lodovico«, brach die Herzogin das Schweigen. »Ich willige ein, Euch das Service herauszugeben,
ohne daß Ihr die Schuld beglichen habt. Ich tue dies aus Höflichkeit und in Anbetracht Eurer verwandtschaftlichen Bande mit
meinem verstorbenen Gatten.«
»Ihr schuldet dem Grafen nichts, Vittoria«, warf Signor Marcello in scharfem Ton ein.
Seine Worte hatten der Herzogin offensichtlich mißfallen, denn sie sagte in einem Ton, der keine Widerrede duldete:
»Mein Entschluß ist gefaßt.«
»Frau Herzogin«, sagte ich, »wenn Ihr dem Herrn Grafen das silberne Service aushändigt, solltet Ihr Euch eine Empfangsbestätigung
geben lassen, damit Ihr gegenüber Fürst Virginio gedeckt seid: die Zahlungsverpflichtung des Herrn Grafen besteht gegenüber
Euch und dem Fürsten gemeinschaftlich.«
»Eine Empfangsbestätigung!« schrie der Graf zornrot. »Ich bin Edelmann und kein Händler!«
»Aber diese Forderung ist nur recht und billig«, sprach die Herzogin ruhig.
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