Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Idol

Idol

Titel: Idol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
Vom Netzwerk:
erleiden wollt wie Euer Bruder Raimondo«, fügte einer unserer Edelleute hinzu.
    »Für diese Worte sollt Ihr mir büßen!« rief der Graf und sah den Mann drohend an.
    »Auf der Stelle, wenn es Euch beliebt«, entgegnete dieser.
    Doch der Graf war schon an der Tür, umringt von seinen Banditen und offenbar ein weiteres Mal wenig begierig, sich in einem
     fairen Kampf mit einem ebenbürtigen Edelmann zu messen.
    Sowie der letzte Bandit den Saal verlassen hatte, sprang ich |442| über den Tisch, stürzte zum Kamin und versuchte, mit der Feuerzange das Testament aus den Flammen zu retten. Das gelang mir
     auch, doch es war zur reichlichen Hälfte verbrannt, vor allem der Teil mit den Unterschriften. Die Herzogin trat heran und
     sah bestürzt auf die verkohlten Blätter; tröstend bemerkte ich, daß kein Grund zur Verzweiflung bestehe, da ja ein Duplikat
     existiere. Von den Juristen, die das Testament aufgesetzt hatten, war das Duplikat auf Befehl des Fürsten beim Podestà von
     Padua hinterlegt worden.
    Nachdem der Graf verschwunden war, zogen sich die Herzogin und Signor Marcello in den kleinen Salon zurück und baten mich,
     ihnen etwas Wein bringen zu lassen. Ihre Unterhaltung war sehr erregt. Ich hörte, wie Signor Marcello der Herzogin heftige
     Vorwürfe wegen ihres Verhaltens in dieser Angelegenheit machte. Erstens hätte sie diesen Banditen niemals vorlassen dürfen.
     Und zweitens sei es Wahnsinn gewesen, ihm das Pfand zu schenken, das wir in Händen hielten. Das werde ihn nur zu noch unverschämteren
     Forderungen ermuntern. »Bei allem, was Ihr über Lodovico wißt, war es falsch, ihn so schonungsvoll zu behandeln. Und auch
     auf den Fürsten Virginio hättet Ihr keine Rücksicht zu nehmen brauchen, wenn er solch einen Unterhändler schickt, um Euch
     mehr zu entreißen, als ihm gebührt.« Obwohl, glaube ich, die Herzogin einsah, daß diese Kritik berechtigt war, nahm sie sie
     nur widerstrebend an und gebot ihrem Bruder zu schweigen.
    Gleichwohl beherzigte sie die Ratschläge, die er ihr dann erteilte.
    Als der Bargello von Padua mit seinen Sbirren erschien (eine Stunde nachdem ich ihn hatte rufen lassen – eine höchst umsichtige
     Verzögerung, denn er verspürte keine Lust, dem Grafen und seiner Bande zu begegnen …), brachte die Herzogin nicht nur ihre
     Klagen gegen Lodovico vor, sondern vertraute ihm auch einen Brief an den Podestà an, in dem sie alle Beschwerden noch einmal
     schriftlich aufführte. An den Papst schrieb sie einen Brief gleichen Inhalts, den sie umgehend absandte.
    Der Podestà sah sich, nachdem er die Klage der Herzogin gelesen hatte, vor einem Dilemma: das Problem schien ihn zu überfordern.
     Er wußte keine Lösung und beschränkte sich darauf, die Angelegenheit nach Venedig weiterzumelden, das seinerseits einer Entscheidung
     auswich.
    |443| Die Serenissima wußte natürlich, woran sie mit Lodovico war, hatte doch der Papst vom ersten Tag seiner Herrschaft an dessen
     Auslieferung gefordert. Aber hinter Lodovico stand Fürst Virginio und hinter diesem standen die Medicis und das Großherzogtum
     Toskana. Die Serenissima wollte vermeiden, sich mit dieser Macht anzulegen, zumal der Fall keines ihrer Lebensinteressen berührte.
    Statt Lodovico vorzuladen und ihn mit seiner Bande ohne Verzug aus Padua auszuweisen, begnügte sich die Serenissima damit,
     ihm durch den Podestà taktvolle Vorhaltungen machen zu lassen, die er höflich anhörte, über die er sich jedoch insgeheim nur
     mokierte. Der Doge beging den gleichen Fehler wie die Herzogin: er schonte den Banditen. Allerdings konnte man in seinem Fall
     diesen Fehler nicht mit Naivität entschuldigen.
    Zehn Tage später ging in Venedig ein Schreiben des Papstes ein, in dem dieser sich in heftigen Worten darüber beklagte, wie
     seine Nichte von Lodovico behandelt worden sei. Daraufhin ließen Doge und Senat sich einen Kompromiß einfallen: sie willfahrten
     dem Papst, indem sie das Testament für gültig erklärten, das der Herzog von Bracciano zugunsten der Herzogin gemacht hatte
     und von dem sich ein Exemplar in der Hand des Podestà befand. Aber um den Medicis nicht zu mißfallen, wagten sie es immer
     noch nicht, Lodovico des Landes zu verweisen.
    Über alles, was danach geschah, kann ich nicht berichten, denn ich reiste zur Beerdigung meines Vaters nach Rom und war erst
     nach Weihnachten wieder in Padua.
     
     
    Caterina Acquaviva:
     
    Ich allein bin schuld an allem, was passiert ist, und sowie ich kann, werde

Weitere Kostenlose Bücher