Idol
die Angst, meine eigene Selbstachtung
zu verlieren.
Ich drückte auf den Dolch und war überrascht, mit welcher Leichtigkeit er in den Körper Recanatis eindrang: wie in einen weichen
Teig. Nie hätte ich geglaubt, daß es so leicht sei, einen Menschen zu töten.
Recanati erschauerte, sein Gesicht zuckte konvulsivisch, er schnappte zweimal verzweifelt nach Luft. Das war alles. Mit weit
aufgerissenen Augen brach er in seinen Kissen zusammen. Ich zog meinen Dolch aus der Wunde, wischte ihn an seinem Wams ab
und steckte ihn wieder in die Scheide. Dann sprang ich vom Trittbrett und blickte mich um. Die beiden Kutscher kämpften immer
noch, angefeuert von der schaulustigen |59| Menge, und niemand schien darauf geachtet zu haben, was in der Kalesche passiert war.
Ich entfernte mich gemächlich, ohne mich umzuschauen, und erreichte den Wohnsitz von Margherita Sorghini. Ich empfand nichts,
hatte nur Mühe beim Gehen und Atmen, denn es war sehr heiß, und spürte eine dumpfe Verwunderung darüber, wie leicht meine
spitze Klinge in Recanatis Herz gedrungen war.
Die Kammerfrau sagte mir, daß die Signora soeben ihr Mittagsbad genommen habe und nun auf der »kleinen Terrasse« ruhe. Sie
war übrigens gar nicht so klein, man hatte von hier einen weiten Rundblick über Rom, und in der Mitte der Terrasse befand
sich ein großes Zelt in Form eines Baldachins, der nach Belieben an den Seiten durch weiße Leinenvorhänge geschlossen werden
konnte, um Schutz vor Wind und Sonnenhitze zu gewähren. Margherita ruhte nackt auf einem breiten weißen Lager. Bei meinem
Eintritt richtete sie sich halb auf und warf mir einen fragenden Blick zu, denn sie hatte wohl an meinem Gesichtsausdruck
erraten, daß etwas Ungewöhnliches geschehen war.
Ich bedeutete ihr durch ein Zeichen, keine Fragen zu stellen, und als ich den Badezuber mit frischem Wasser erblickte, worin
sich Margherita bei dieser Gluthitze abzukühlen pflegte, entkleidete ich mich schnell und tauchte bis zum Hals hinein. Es
schien mir, als wüsche mich dieses klare Wasser von meinem Verbrechen rein. Über meinem Kopf sah ich durch das weiße Zeltleinen
die Schatten der Mauersegler, die pfeilschnell nach allen Richtungen dahinschossen und spitze Schreie ausstießen. Obwohl ich
weder an Gott noch an den Teufel glaube, war ich überzeugt, eine große Sünde begangen zu haben. Und doch, was ich genau in
diesem Moment empfand – bizarr vermischt mit dem Wohlbehagen, das mir das frische Wasser und die Schatten der Mauersegler
verschafften –, war nicht Reue, sondern nur tiefe Enttäuschung. Die Ermordung Recanatis hatte mir keine Befriedigung gewährt.
Dazu hätte Recanati sich seines Todes bewußt werden müssen. Ich hatte eine Kerze ausgeblasen, die Kerze aber wußte nicht,
daß sie erloschen war.
Als ich Margheritas Blicke auf mir spürte, runzelte ich die Stirn, so daß sie sogleich die Augen abwendete. Wie alle Frauen
– außer Vittoria – hatte auch Margherita etwas von einem Kraken |60| an sich. Doch da sie doppelt so alt ist wie ich und mich zu verlieren fürchtet, ist es mir gelungen, sie zu erziehen. Abgesehen
vom Liebesakt, über den ich allein entscheide, würde sie sich nie erlauben, mich zu berühren, zu umschlingen oder mit den
tausend kleinen Schmeicheleien zu bedrängen, die die Frauen wie Leimruten zu unserem Fang bereithalten.
Ich stieg aus dem Zuber, schob den Zeltvorhang beiseite, stellte mich in die pralle Sonne und atmete den angenehm bitteren
Duft der auf der Brüstung blühenden Geranien ein. Der Fliesenboden unter meinen Füßen war brennend heiß, so daß ich von einem
Bein auf das andere treten mußte. Als auch der letzte Tropfen Wasser auf meiner Haut verdunstet war, brannte die Hitze auf
meinen Schultern und meinem Nacken so unerträglich, daß ich unter das Zelt zurücktrat. Margherita, die mich offenbar durch
den Vorhangspalt gespannt beobachtet hatte, schloß gerade noch rechtzeitig die Augen. Ihr jettschwarzes Haar, ihre blasse
Haut, die braunen Aureolen ihrer Brüste und ihr dunkles Schamhaar gefielen mir. Winzige Fältchen zeichneten ihre Lider, ihre
Brüste waren schwer, und ihre reife Schönheit schien an dem Punkt angelangt, wo sie zu schwinden beginnt. Ich liebte sie so,
wie sie war, in ihrer verblühenden Schönheit. Und auch in der sklavischen Demut, die ich ihr abverlangte, wobei ich freilich
den Verdacht hatte, daß sie trotzdem noch Mittel fand, mich zu beherrschen.
Ich
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