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Idol

Idol

Titel: Idol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Galeeren näherten sich bedrohlich. Als abzusehen war, daß wir gekapert würden, schnallte Abensur,
     wohl wissend, daß auf seinen Kopf eine Prämie ausgesetzt war, den Gürtel mit seinem Gold um und sprang ins Meer. In dunstiger
     Ferne erschienen die Küsten eines Landes, das man Albanien nennt. Später erfuhr ich, daß die Albaner ein wildes Volk sind.
     Sie hassen die Türken, die seit Jahrhunderten versuchen, sie zu unterjochen. Noch mehr aber hassen sie die Berber, die an
     ihren Küsten räubern. Doch wer weiß? vielleicht hat es Abensur trotzdem geschafft, an Land zu gehen und zu überleben. Gott
     ist groß!
    Abensur hatte mir gefallen. Er war hart und sanft zugleich, wie richtige Männer sind. Und ich wartete ungeduldig darauf, Frau
     zu werden, damit er mich nähme.
    Die Matrosen auf der venezianischen Galeere, die uns aufbrachte, waren keine Sklaven, sondern Freie. Sie bewiesen es sofort:
     wer von den Unseren beim Entern überlebte, wurde in Ketten gelegt, um in Venedig verkauft zu werden. Über mich sollten die
     Würfel entscheiden. Ich fiel an einen stinkenden und bärtigen dicken Einäugigen, der mir von allen der Schlimmste zu sein
     schien, offenbar aber den Ton angab. Sowie ich das begriffen hatte, lief ich weg, und als er mich bedrängte, stach ich ihn
     in den Arm. Er stieß ein wütendes Geheul aus und rief seine Kameraden zusammen: ich wurde ergriffen und entwaffnet. Der Einäugige
     schäumte vor Zorn, riß mir die Kleider vom Leib und band mich in der prallen Sonne nackt an die Reling. Bis zum Einbruch der
     Nacht, erklärte er, werde er mich in der Hitze schmoren lassen und mich dann den Gelüsten der Besatzung ausliefern. Anschließend
     werde er selbst sich ergötzen und mich erstechen.
    Auf seinen Befehl sollte ein sehr junger Matrose, der offenbar mehr Ohrfeigen als gute Worte bekam, mir alles ins Arabische
     übersetzen. Kaum war er damit fertig, mußten alle Mann auf ihre Posten. Ich blieb allein, die Sonne brannte, und die Stricke
     schnitten mir in Arme und Beine. Nach kurzer Zeit schlängelte sich der Schiffsjunge, der meine Sprache sprach, |78| zwischen dem Tauwerk heran und gab mir zu trinken. Er heiße Folletto, flüsterte er, und habe Mitleid mit mir, da er selbst
     oft geschlagen werde. Er hatte große schwarze Augen und ein hübsches, sanftes Mädchengesicht. Bei genauerem Hinsehen wurde
     mir klar, worin seine Aufgabe an Bord bestand. Auch auf unserer Tartane hatte es einen Schiffsjungen für diesen Zweck gegeben.
     Aber die
roumis
1 der Galeere – im Unterschied zu unseren Matrosen – dankten Folletto nicht für seine Gefälligkeiten, sondern schlugen und verachteten ihn.
    Solange meine Marter dauerte, kamen die Hurensöhne der Reihe nach heran, starrten mir frech ins Gesicht, betasteten und befühlten
     mich wie einen Hammel, den man auf dem Markt kaufen will, und grinsten mich an. Ich bemühte mich, gute Miene zu machen, aber
     abgesehen davon, daß mich die brennende Sonne schrecklich quälte, zitterte ich vor Angst, weniger in Gedanken an den Dolchstoß,
     der alles beenden würde – und den ich sogar herbeisehnte –, sondern weil ich mir ausmalte, was ich vorher von diesen Schweinen
     alles würde erdulden müssen. Mir war übel bei der Vorstellung, wie sich diese grobschlächtigen Männer auf mir wälzen würden,
     und mehr als einmal bedauerte ich, mich nicht Abensur hingegeben zu haben.
    So mädchenhaft Folletto sein mochte, mangelte es ihm doch nicht an Mut, und unter Einsatz seines Lebens – der Allmächtige
     möge es ihm lohnen! – kroch er bis zum Heck der Galeere und berichtete dem Kapitän von meinen Qualen. Der kam zur Klärung
     der Angelegenheit persönlich nach vorn, was er sonst niemals tat, wie mir Folletto sagte. An seiner prächtigen Kleidung und
     seinem stolzen Ausdruck merkte ich, daß er nicht nur der Kapitän dieses Schiffes war, sondern auch ein großer Emir in seinem
     Land. Ich fand ihn sehr schön: himmelblaue Augen, Haar von der Farbe eines Goldstücks, Schultern so breit wie eine Tür, und
     so groß, daß ich ihm gerade bis zur Brust reichte. Hinter ihm folgten ein magerer Langer, offenbar sein Erster Offizier, und
     Folletto, der seine Fragen ins Arabische übersetzte.
    »Wie heißt du?«
    »Aziza, die Wespe.«
    »Warum ›die Wespe‹?«
    |79| »Weil mein Herr Abensur mir einen kleinen Dolch geschenkt hat, damit ich mir die Matrosen vom Leibe halten kann.«
    »Du warst also noch Jungfrau?«
    »Ich bin es immer noch. Abensur hat

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