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Idol

Idol

Titel: Idol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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etwas hinzuzufügen, ließ ich meine Argumente in ihm nachwirken. Dieses Weib hatte ihm den Verstand geraubt, doch er sah immerhin
     ein, daß er unter so ungünstigen Bedingungen nicht den offenen Krieg gegen den Papst wagen und dabei seine Truppen opfern
     durfte. Er hatte sich noch einen Rest Vernunft bewahrt.
    Plötzlich rief er:
    »Das Meer, Lodovico! Warum habe ich als Seemann nicht eher daran gedacht?«
    »Das Meer? Es brandet wild an die ungeschützte Küste, an der auch nicht die kleinste Bucht zu finden ist. Wie sollte dort
     eine Truppe landen?«
    »Keine Truppe, nein. Aber ein Boot, das eine meiner Galeeren auf der offenen See aussetzen wird.«
    »Du kannst sicher sein, daß das Meer überwacht wird!«
    »Bei Tage, aber nicht in der Nacht.«
    »Nachts willst du landen? An dieser Küste mit ihren unzähligen Riffen? Wenn dein Boot heil durchkommt, zerschellt es an der
     Felswand.«
    »Nein, nein, nein!« schrie Paolo. »Keine Küste ist so unbezwinglich, daß man nicht doch eine Bucht entdecken und ein Boot
     an Land bringen könnte.«
    »Angenommen, du schaffst es. Wie, glaubst du, kannst du die Signora überzeugen, mit dir auf dem gleichen Weg zurückzukehren?«
    »Das will ich gar nicht versuchen! Wie könnte ich sie so großen Gefahren aussetzen? Aber ich werde sie wenigstens sehen! Und
     kann mich ihrer Gefühle versichern«, murmelte er halblaut wie im Selbstgespräch.
    Ich war perplex. Da er so in diese Dirne vernarrt war, hatte ich angenommen, sein Handel mit ihr sei seit der ersten Begegnung
     bei Montalto, von der Raimondo durch Caterina erfahren hatte, bereits viel weiter fortgeschritten. Die Dinge standen also
     viel schlechter als vermutet: er liebte sie wirklich. Das Weib hatte den Teufel im Leib und Paolo behext!
    »Durchlaucht«, sagte Marcello plötzlich, »mein Platz ist |135| auch in diesem Boot. Ich bitte um die Ehre, Euch begleiten zu dürfen.«
    »Ja, Marcello, du bist kühn, das wußte ich schon«, antwortete Paolo, legte ihm den Arm um die Schultern und zog ihn an sich.
    Ich wandte den Kopf ab und tat, als schaute ich aus dem Fenster in den Hof, so sehr empörte mich die Vertraulichkeit zwischen
     Paolo und diesem Nichtsnutz.
Affé di Dio!
er behandelte ihn bereits wie seinen Schwager. Die Welt war aus den Fugen geraten! Nur weil ein Weiberrock und ein paar Haarsträhnen
     unserem großen Fürsten den Verstand geraubt hatten! Dabei hat er schon mehr Frauen besessen, als Sterne am Augusthimmel stehen!
     Was unterscheidet die Neue von den anderen? Ihre Schönheit? Aber ein liederliches Frauenzimmer kann auch schön sein, und ich
     würde sie nicht einmal meinem Reitknecht zur Ehe geben.
    Langsam gewann ich meine Kaltblütigkeit zurück, sogar ein Lächeln gelang mir, als ich mich an Paolo wandte:
    »Also gut,
carissimo
, ich sehe, du wirst von deinem wahnwitzigen Unternehmen nicht ablassen. Der Himmel möge dich beschützen! Ich werde für dich
     beten. Es möge dir gelingen, nicht zu ertrinken! Welch Tod für einen großen Admiral!«
    Er lachte und umarmte mich, als ich ging. Trotz meiner heiteren Miene kochte ich vor Wut. Ich stieg die Treppe hinab, die
     Hand ums Geländer gekrallt, die Zähne zusammengebissen. Nein, Paolo, dachte ich, du verdienst nicht zu leben: du bringst Schande
     über die Orsinis.
    Ich konnte mich über Paolos unglaubliche Leichtfertigkeit gar nicht beruhigen. Er hatte mich nur kommen lassen, weil er wußte,
     daß ich die Gegend um Santa Maria kannte, und es kam ihm keine Sekunde in den Sinn, ich könnte sein Pläne in bezug auf diese
     Dirne mißbilligen. Schlimmer noch: er war, bevor ich es ihm ausredete, zum offenen Krieg gegen den Papst bereit gewesen, der
     nur mit seinem Untergang und mit dem meinen und natürlich auch mit dem meines Bruders enden konnte. Eine derart verbrecherische
     Verblendung ist weder zu entschuldigen noch zu verstehen.
    In der folgenden Nacht hatte ich einen Traum, von dem ich nicht behaupten kann, es sei ein Alptraum gewesen, so glücklich,
     besänftigt und frei von meinen Ängsten fühlte ich mich, als ich ihn beim Erwachen überdachte. Paolo und die Zwillinge |136| Accoramboni, von päpstlichen Soldaten im Park von Santa Maria verfolgt, entflohen nachts in einem kleinen Boot zu Paolos Galeere
     auf hoher See. Doch das Boot stieß gegen ein Riff und lief voll Wasser. Marcello versank als erster. Vittoria wurde eine Weile
     durch ihren weiten Rock auf den Wogen getragen und ging dann langsam unter. Nur Paolo überlebte, war

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