Idol
abschließende »herzlich« in gebührender Weise. Die Kehle ist mir
wie zugeschnürt, als ich dieses Billett lese, mit dem sie mir wie eine Königin ihre Gunst entzieht. Doch ich weine nicht.
Diese Entscheidung habe ich vorausgesehen. Vittoria hat mich – genauso wie ihren Onkel und ihren Mann – einfach fallenlassen.
Caterina Acquaviva:
Wie verzweifelt und wütend die Signora über ihre Abreise aus Rom war, merkte ich an ihrer schlechten Laune während der Reise.
Aber sie war darin nicht die einzige: ich habe Marcello verloren, dessen Verbleiben in Rom von Anfang an beschlossene Sache
gewesen ist. Schließlich war er der Sekretär des Fürsten Orsini und Gastfreund der Sorghini. Er wurde nicht einmal über den
Zeitpunkt der Abreise informiert, wenigstens nicht durch Signor Peretti. Erst durch mich erfuhr er Tag, Stunde und Ziel, nachdem
mich die Signora davon in Kenntnis gesetzt hatte, und das bestimmt nicht ohne Grund, denn sie wußte von meiner Beziehung mit
Marcello. Signor Peretti, finde ich, hätte das Reiseziel vor seiner Frau lieber geheimhalten sollen. Aber der arme Signore
ist immer viel zu gutmütig und naiv. Er hat keine Ahnung, zu welchen Listen selbst die anständigste Frau fähig ist. Natürlich
können auch manchmal Männer sehr gemein sein: wer hätte gedacht, daß Raimondo und Silla, zu denen ich so nett gewesen bin,
mir eines Tages drohen würden, »Spitze aus meinen Därmen zu häkeln«?
Jedenfalls bleiben mir jetzt, genau wie der Signora, nur meine Träume, wobei ich sicherlich noch unglücklicher bin als sie,
denn ich glaube nicht, daß sie jemals richtig geliebt hat.
|145| Einen Trost gibt es in Santa Maria für mich: Peretti hat
il mancino
mitgenommen, um mit ihm Fechten zu üben, denn mein großer Bruder, der alles kann außer ehrlich sein, ist ein geschickter Fechter.
Signor Peretti ist etwas dicker geworden und hofft, durch das Training wieder schlank zu werden.
In Santa Maria spricht
il mancino
– sogar ich, seine Schwester, nenne ihn so – nur sehr wenig mit mir, einsilbig und leise, wenn niemand in der Nähe ist und
meist auch nur, um mir Befehle zu erteilen. Dabei sieht er mich in einer Weise an, daß mir die Lust vergeht, ihm ungehorsam
zu sein.
Am Morgen des 3. Mai begegnet er mir am Holzschuppen, den man endlich aufgefüllt hat und wo ich ein paar Scheite für die Signora
hole.
»Caterina, hast du den Wachtturm auf der Felsklippe über der kleinen Bucht bemerkt?«
»Ja, Domenico.«
»Ich hatte ihn am Tag nach unserer Ankunft besichtigt; er war unbesetzt, aber inzwischen scheint dort einer Posten zu stehen.
Das müßte überprüft werden.«
Ich schmolle:
»Du weißt genau, was passiert, wenn ich auf den Turm steige und dort ein Soldat steht.«
»Das kann dich doch nicht abschrecken?«
So geht’s zu in der Welt! Nur weil ich die Männer mag, behandelt mich der eigene Bruder nicht viel besser als eine Nutte!
Er, der selbst ein Zuhälter ist!
»Doch«, sage ich trotzig, »wenn er nach Wein und Knoblauch stinkt.«
»Caterina«, entgegnet
il mancino
streng, »deine parfümierten Edelleute sind dir zu Kopf gestiegen. Du vergißt deine Pflichten gegen deinen älteren Bruder.«
»Und ist es meine Pflicht gegenüber meinem älteren Bruder, mich vom erstbesten bespringen zu lassen?«
»Es muß ja nicht so weit kommen. Nimm ihm Wein mit, dann beschäftigt er sich vielleicht lieber mit der Flasche als mit dir.«
»Und wenn ich nicht bis ganz nach oben steige? Ich würde deutlich hören, ob sich jemand über mir befindet.«
»Nein, du mußt mit ihm reden. Ich will wissen, ob auch nachts einer Posten steht.«
|146| »Ist das wichtig für dich?«
»Es ist wichtig für Leute, die du liebst.«
»Und du«, frage ich, »liebst diese Leute nicht?«
»Ich werde von ihnen bezahlt«, sagt er mit Würde.
Ich frage scharf:
»Deine Flittchen genügen dir wohl nicht?«
Seine Augen blitzen, er sieht sich um, geht bis zur Schuppentür, späht nach draußen, kehrt zurück und gibt mir zwei Ohrfeigen,
auf jede Backe eine, die aber nicht sehr weh tun. Er will mich nicht etwa schonen, aber mich auch nicht brandmarken oder Lärm
machen.
»Dumme Kuh«, sagt er, »das wird dich Respekt vor deinem Bruder lehren! Ich eß nicht mit ’ner Gabel wie du. Ich kann nicht
lesen. Und ich ficke keine adligen Damen. Aber ich bin immer noch dein Bruder, vergiß das nicht!«
»Verzeih mir, Domenico«, bitte ich, ganz rot vor Scham, nicht wegen der
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