Idol
auf, seine Augen glänzen, und über sein lächelndes Gesicht
zieht ein Leuchten. Er wirkt plötzlich sehr viel jünger und sagt mit klarer, froher Stimme:
»Ich wünsche Euch einen guten Morgen, Vittoria.«
Ich blicke schnell zu Vittoria. Der fröhliche Gruß des Fürsten hat sie offensichtlich verstimmt, denn sie sagt nach kurzem
Zögern in kühlem, fast teilnahmslosem Ton, ohne Orsini anzusehen:
»Der Morgen ist gar nicht so gut, Durchlaucht. Es hat nur wenig gefehlt, und er hätte mit einem Blutbad begonnen.«
Caterina hält im Bürsten inne, Orsini setzt sich auf und hüllt sich in ein Laken; Vittoria dreht sich zu ihm herum.
»Wie!« ruft er. »Was sagt Ihr, Vittoria? Waren wir nahe daran, entdeckt zu werden?«
»Nahe daran!« sagt Vittoria.
Und sie erzählt ihm völlig leidenschaftslos, was zwischen Peretti und ihr draußen vorgefallen ist. Ich vernehme den Bericht
mit Bestürzung, und Orsini hört ihn, wie ich beobachte, mit wachsender Unruhe, denn ihm entgeht nicht, daß der Held dieser
Geschichte nicht er ist, obzwar er sein Leben für die schöne Vittoria riskierte, sondern Peretti, der die schuldbeladenen
Liebenden verschont hat, als sie ihm und seinem Degen auf Gnade und Ungnade ausgeliefert waren. Selbst wenn Peretti, so denke
ich, ein sehr viel geschickterer Mann wäre, hätte er nicht besser reagieren können, denn seine Großmut hat die Situation total
zu seinen Gunsten verändert. Und er hat, das fühlen wir alle drei, nicht aus Berechnung oder taktischen Gründen so gehandelt,
sondern aus einer Regung seines Herzens heraus.
Vittoria spricht mit niedergeschlagenen Augen und gleichgültig-monotoner Stimme, und als sie ihren Bericht beendet hat, wendet
sie sich wieder ihrem Spiegel zu und gibt Caterina ein Zeichen, weiter ihr Haar zu bürsten. Vittoria schweigt. Wir |187| schweigen ebenfalls, und in der Stille vernehmen wir nur das gleichmäßige Geräusch der Bürste auf Vittorias Haar. Alle drei
sind wir von Perettis Großherzigkeit überwältigt. Gesetz, Sitte und Ehre hätten ihm geboten, uns zu töten. Er hat sich darüber
hinweggesetzt, um seiner Frau und damit auch uns Gnade zu erweisen.
Ich blicke zum Fürsten. Er hält die Augen gesenkt; seine mächtige Brust hebt sich, als könne er nur mit Mühe atmen. Solange
er gegen Meer, Unwetter, Felsenriffe oder gegen eine Übermacht von vierzig Soldaten kämpfte, war er ein Held. Sowie ihm aber
Gnade geschenkt wird, ist er nichts als ein Dieb, der sich ein wenig Zuneigung gestohlen hat. Er fühlt sich vor Vittoria aufs
äußerste gedemütigt. Und er ist es auch. Man braucht sie nur zu sehen, wie sie mit eisigem Gesicht an ihrem Frisiertisch sitzt
und ihn förmlich mit »Durchlaucht« anspricht. Wo sind das zärtliche »Paolo«, ihr »carissimo mio« und die Seufzer dieser Nacht
geblieben?
Der arme Orsini, der alles verloren hat in dem Moment, da er alles gewonnen zu haben glaubte, weiß, daß er nur noch eine Erinnerung
liebt. Er ist außer sich vor Verzweiflung und Zorn. Und da Raserei ein schlechter Ratgeber ist, sagt er, der sonst so viel
Feingefühl besitzt, zwischen zusammengebissenen Zähnen:
»Perettis Gnadenbeweis kann ich nicht annehmen. Mein Entschluß steht fest. Ich werde ihn stehenden Fußes zum Kampf herausfordern.
Ich gehe zu ihm.«
Vittorias Reaktion ist niederschmetternd.
»Wenn ich Euch recht verstehe, Durchlaucht«, sagt sie mit eisiger Verachtung, ohne ihn eines Blickes zu würdigen, »wollt Ihr
von Peretti einen Degen erbetteln, um ihn, der Euch verschont hat, zu töten. Wie mutig! Welch Ruhm für Euch, die geschickteste
Klinge in ganz Italien, einen mittelmäßigen Fechter in
ehrenhaftem
Kampf (sie betont grausam dieses
ehrenhaft
) zu besiegen! Und wie zartfühlend von Euch, damit
urbi et orbi
bekanntzumachen, daß ich mich Euch hingegeben habe.«
Sie wendet sich zu ihm um, schaut ihm fest in die Augen und fragt mit Nachdruck:
»Glaubt Ihr nicht, Durchlaucht, da wir von meiner Ehre sprechen, daß die Eure Euch gebietet, von heute an weder direkt noch
indirekt Signor Peretti nach dem Leben zu trachten?«
|188| Der Fürst hat sich gottlob wieder in der Gewalt und antwortet auf diese Frage, die seine heimlichen Hoffnungen zunichte macht,
mit fester Stimme:
»Ja, das glaube ich in der Tat.«
»Schwört Ihr, diesem Gebot zu folgen?«
»Ich schwöre es, da Ihr es verlangt.«
Er hat mit Kälte gesprochen. Er ist es nicht gewohnt, so behandelt zu werden, wie ihn Vittoria
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