Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties
einem kleinen Platz oder einer Piazza mit einem Brunnen in der Mitte, neben dem eine unbekannte Gestalt stand.
Chia riss sich die Brille herunter, ohne sich erst noch die Mühe zu machen, Venedig zu schließen.
Masahiko saß ihr im Schneidersitz gegenüber. Die schwarzen Schalen hatten sich auf seinen Augen festgesaugt. Seine Lippen bewegten sich stumm, und die Hände auf seinen Knien zeichneten in den schwarzen Fingersets winzige Muster in die Luft.
Maryalice saß auf dem pelzigen, pinkfarbenen Bett, eine nicht angezündete Zigarette im Mund. Sie hatte eine kleine, eckige, graue Pistole in der Hand, und Chia sah, wie das frisch aufgetragene Rot ihrer Nägel mit dem perlmuttfarbenen Plastik des Griffs kontrastierte.
»Ist wieder losgegangen«, sagte Maryalice mit der Zigarette im Mund. Sie drückte auf den Abzug, woraufhin an der Mündung plötzlich eine kleine goldene Flamme entstand, und zündete sich damit die Zigarette an. »Tokio. Ich sag’s dir. Immer das Gleiche.«
27 SO WAS RICHTIG KÖRPERLICHES
Laney stand an einem Pissoir aus schwarzem Gummi auf dem Männerklo, als er den Russen bemerkte, der sich im Spiegel die Haare kämmte.
Zumindest sah es wie schwarzes Gummi aus, mit irgendwie weichen Rändern. Die sanitären Anlagen funktionierten offenbar wieder, aber er fragte sich, was sie sagen würden, wenn man darum bat, seinen eigenen Beitrag zur Grotte leisten zu dürfen. Auf dem Herweg war ihm die trübe, grüne, durchscheinende Platte eines Tresens aufgefallen, die von unten beleuchtet war, und er hatte gehofft, dass sie nicht aus dem bestand, was sie im Treppenhaus abgesägt hatten.
Das Abendessen war vorüber, und er hatte wahrscheinlich zu viel Sake dazu getrunken. Er, Arleigh und Yamasaki hatten Rez bei seinem Zusammentreffen mit dieser neuen Version der Idoru beobachtet, die Willy Jude als große silberne Thermoskanne gesehen hatte. Und Blackwell würde sich daran gewöhnen müssen, denn Laney vermutete, dass der Bodyguard keinen blassen Schimmer davon gehabt hatte, dass sie dabei sein würde, bevor er hereingekommen war und Rez es ihm gesagt hatte.
Arleigh hatte sich die meiste Zeit mit Lo unterhalten, hauptsächlich über Immobilien. Über seine verschiedenen Besitztümer in aller Welt. Laney hatte sich angehört, wie Yamasaki seine Idee vom Zugriff auf dieses Teenager-Fanclub-Material weitergesponnen hatte, und vielleicht war da ja wirklich was dran, aber sie würden es ausprobieren müssen, um es rauszufinden. Blackwell hatte keine zwei Worte
gesagt, hatte Lager statt Sake getrunken und sein Essen in sich hineingeschlungen, als wollte er irgendwas stopfen, eine Sicherheitslücke, die man beseitigen konnte, wenn man sie methodisch mit genug Sashimi füllte. Der Australier war ein As mit den Stäbchen; wahrscheinlich konnte er einem auf fünfzig Schritt Entfernung eins ins Auge werfen. Aber die Hauptattraktion waren Rez und die Idoru gewesen, in einem geringeren Maße auch Kuwayama, der lange Gespräche mit beiden geführt hatte. Den anderen, Osaki, schienen sie für den Fall mitgebracht zu haben, dass jemand die Batterien in der silbernen Thermoskanne auswechseln musste. Und Willy Jude war durchaus liebenswürdig, aber auf so inhaltslose Weise wie möglich.
Da Techniker angeblich eine leicht zugängliche Quelle für jede Form von Klatsch in einem Unternehmen sind, hatte Laney ein paar Versuche in diese Richtung gestartet, aber Osaki hatte nicht mehr gesagt, als unbedingt sein musste. Und da Laney Rei Toei nicht direkt ansehen konnte, ohne in den nodalen Modus überzugehen, hatte er sich mit den gerade verfügbaren optischen Eindrücken begnügen müssen, während er den Gesprächen am Tisch zuhörte. Arleigh eignete sich ganz gut dafür. Irgendwas an ihrer Kinnpartie gefiel ihm besonders, und er sah sie sich immer wieder an.
Laney zog den Reißverschluss hoch, ging sich die Hände waschen – das Waschbecken bestand aus dem gleichen, weich wirkenden schwarzen Zeug – und bemerkte, dass der Russe sich noch immer die Haare kämmte. Laney wusste natürlich nicht, ob der Mann wirklich Russe war oder nicht, aber wegen der schwarzen Springerstiefel aus Glanzleder mit den kontrastierenden weißen Nähten, der Hose mit dem schwarzen Seidenstreifen an der Seite und der weißen Smokingjacke aus Leder hielt er ihn für einen. Ein Russe oder irgendwas in der Richtung, aber mit einem eindeutigen Kombinat-Touch, diesem mutierten Kommie-Mafioso-Ding.
Der Russe kämmte sich die Haare mit einer innigen
Weitere Kostenlose Bücher