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Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties

Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties

Titel: Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Konzentration, die Laney an eine Fliege erinnerte, die sich mit den Vorderbeinen putzte. Er war sehr groß und hatte einen sehr großen Kopf, vor allem in der Vertikalen, von den Augenbrauen aufwärts, wo er sich zum Scheitel hin leicht zu verjüngen schien. Trotz all der Aufmerksamkeit, die er dem Kämmen schenkte, besaß der Mann eigentlich nicht viele Haare, jedenfalls nicht oben auf dem Kopf, und Laney hatte gedacht, solche Gestalten hätten allesamt Implantate. Rydell hatte ihm erzählt, dass es in Tokio von diesen Kombinat-Typen wimmelte. Rydell hatte einen Dokumentarfilm darüber gesehen, über ihre extreme, surrealistische Brutalität, deretwegen sich niemand mit ihnen anlegen wollte. Dann hatte Rydell mit einer Geschichte von zwei Russen angefangen, irgendwelchen Cops in San Francisco, mit denen er aneinandergeraten war, aber Laney hatte einen Termin mit Rice Daniels und einer Maskenbildnerin gehabt und nicht mehr erfahren, wie sie ausgegangen war.
    Laney vergewisserte sich, dass ihm keine Essensreste mehr zwischen den Zähnen steckten.
    Als er hinausging, kämmte der Russe sich immer noch.
    Er sah Yamasaki, der zwinkerte und ein ratloses Gesicht machte. »Da hinten ist es«, sagte er.
    »Was?«
    »Für kleine Mädchen.«
    »›Kleine Mädchen‹?«
    »Das Klo. Die Toilette.«
    »Aber ich habe Sie gesucht.«
    »Und gefunden.«
    »Mir ist beim Essen aufgefallen, dass Sie vermieden haben, die Idoru direkt anzusehen.«
    »Stimmt.«
    »Ich vermute, Informationsdichte reicht aus, um nodale Wahrnehmung zu gestatten …«
    »Sie haben’s erfasst.«

    Yamasaki nickte. »Ah. Aber bei einem ihrer Videos oder selbst bei ›Live‹-Auftritt wäre das nicht der Fall.«
    »Wieso nicht?« Laney hatte sich auf den Rückweg zum Tisch gemacht. – »Bandbreite«, sagte Yamasaki. »Die heutige Version hier ist Prototyp mit hoher Bandbreite.«
    »Kriegen wir ’ne Entschädigung als Beta-Tester?«
    »Können Sie die Natur von nodaler Wahrnehmung beschreiben, bitte?«
    »Wie Erinnerungen«, sagte Laney, »oder Filmausschnitte. Aber der Drummer hat was gesagt, was mich auf den Gedanken gebracht hat, ich würde bloß ihr letztes Video sehen.«
    Etwas stieß Laney von hinten beiseite, und er fiel über den nächsten Tisch und zerbrach dabei ein Glas. Er spürte, wie das Glas unter ihm zersplitterte, und starrte eine Sekunde lang direkt nach unten, in den straffen grauen Latexschoß einer Frau, die explosiv aufschrie, bevor der Tisch nachgab. Etwas, wahrscheinlich ihr Knie, traf ihn hart an der Schläfe.
    Es gelang ihm, sich auf die Knie hochzurappeln. Er hielt sich den Kopf und erinnerte sich unwillkürlich an ein Experiment, das sie im Physikunterricht in Gainesville gemacht hatten. Oberflächenspannung. Man streute Pfeffer aufs Wasser in einem Glas. Brachte die Spitze einer Nadel dicht an den Pfefferfilm. Und sah ihn wie etwas Lebendiges vor der Nadel zurückzucken. Und nun sah er mit dröhnendem Schädel, wie das Gleiche hier passierte, nur dass es statt Pfeffer die Gäste im Western World waren, und er wusste, dass die Nadel auf Rez’ Tisch gerichtet sein musste.
    Der Rücken einer weißen Smokingjacke aus Leder … Aber dann sah er, wie der Sherman-Panzer von den Schultern der zurückweichenden Menge aus seiner Verankerung gerissen wurde und auf ihn zuwirbelte, riesig und gewichtslos, und das Licht erlosch.

    Die Menge hatte ohnehin geschrien, aber die Dunkelheit ließ die allgemeine Stimmlage derart ansteigen, dass Laney sich die Ohren zuhielt. Das hieß, er versuchte es, denn jemand stolperte in ihn hinein, und er fiel nach hinten, rollte sich dabei instinktiv und fest zu einer fötalen Kugel zusammen und klammerte die Hände übers Genick.
    »Hey«, sagte eine Stimme ganz dicht an seinem Ohr, »komm hoch. Sonst tretense auf dich drauf.« Es war Willy Jude. »Ich kann sehen.« Eine Hand um sein Handgelenk. »Hab Infrarot.«
    Laney ließ sich von dem Drummer hochziehen. »Was ist los? Was geht hier vor?«
    »Keine Ahnung, aber komm jetzt. Wird noch schlimmer werden …« Wie aufs Stichwort hin schnitt ein schrecklicher, schriller, purer animalischer Schmerzensschrei durch den wilden Lärm der Menge. »Blackwell hat einen erwischt«, sagte Willy Jude, und Laney spürte, wie die Hand des Drummers seinen Gürtel packte. Er stolperte, als er mitgeschleift wurde. Jemand lief in ihn hinein, rief etwas auf Japanisch. Danach behielt er die Hände oben, versuchte, sein Gesicht zu schützen, und ließ sich von dem Drummer

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