Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties
Irland gesehen hatte. Bräunlich-grünes, von Schaumkronen getüpfeltes Meer, ein steifer Wind, der sich in den Ohrenklappen ihrer Mütze fing. Er spürte diesen Wind
nicht, aber er hörte ihn; er war jetzt so laut, dass er Schwierigkeiten hatte, sie zu verstehen. »Kannst du sie sehen?«, rief sie.
»Was denn?«
»Die Wolkengesichter! Die Knotenpunkte! Ich sehe nichts! Du musst sie mir zeigen!«
Und weg war sie, und das Meer mit ihr, und Laney starrte wieder in die Daten, in denen sich die digitalisierten Geschichten von Rez und Rei auf der Schwelle zu etwas anderem vermischten. Ob die Kartonöffnerklinge wohl aus Alison Shires’ Knotenpunkt hervorgetreten wäre, wenn er sich in Los Angeles angestrengt hätte?
Er strengte sich an.
Er schaute auf eine verschwommene, unbestimmbare weiße Ebene hinaus. Kein Schnee. Und sah ein riesiges Paar reich verzierter Cowboystiefel, Braun in Braun, vor einem Hintergrund aus grellem Pink vorbeigehen, der wie eine Steilwand aufragte. Dann war das Bild verschwunden, und Laney sah stattdessen ein rotierendes dreidimensionales Objekt, aber er hatte keine Ahnung, was das sein sollte. Ohne jeden Hinweis auf seine Größe sah es in etwa wie ein Bus aus Los Angeles aus, dem man die Räder abmontiert hatte.
»Suite 17«, sagte die Idoru. »Hotel Di.«
»Die? Wie ›stirb‹?« Der Bus verschwand und nahm die Stiefel anscheinend mit.
»Was ist ein ›Liebeshotel‹?«
»Was?«
»Ein Liebeshotel.«
»Wohin man geht, um Liebe zu machen – glaube ich …« »Was ist ein ›primäres biomolekulares Rodel-van-Erp-Programmiermodul C-Schrägstrich-7A‹?«
»Keine Ahnung«, sagte Laney.
»Aber du hast es mir gerade gezeigt! Es ist unsere Vereinigung, unser Schnittpunkt, von dem aus sich alles Übrige entfalten muss!«
»Moment«, sagte Laney, »Moment, du hast da noch was; das überlappt sich irgendwie …« Seine Seite schmerzte von der Anstrengung, aber in der Ferne waren Hügel, verdrehte Bäume, die niedrige Dachlinie eines Holzhauses …
Aber die Idoru war verschwunden, und das Haus, das von innen heraus zerfressen wurde, sank schimmernd in sich zusammen. Und dann ein kurzer, flüchtiger Eindruck von etwas hoch Aufragendem, von nicht zueinander passenden Fenstern und einem sich verzerrenden, moirierten Himmel.
Dann nahm Arleigh ihm den Datenhelm ab. »Hören Sie auf zu schreien«, sagte sie. Yamasaki war neben ihr. »Hören Sie auf, Laney.«
Er holte lange und zittrig Luft, stützte die flachen Hände auf die gepolsterte Abdeckung des Armaturenbretts und schloss die Augen. Er spürte Arleighs Hand an seinem Hals.
»Wir müssen hin«, sagte er.
»Wohin?«
»Suite 17 … Wir kommen zu spät zur Hochzeit …«
38 STAR
Als die Betäubungspistole aufhörte, das britzelnde Geräusch zu machen, ließ Chia sie fallen. Der Türknauf drehte sich nicht. Kein Laut aus dem Badezimmer, nur die leisen, aufgezeichneten Schreie tropischer Vögel. Sie wirbelte herum. Masahiko versuchte gerade, seinen Computer in den karierten Beutel zu stecken. Sie war mit einem Satz bei ihrem Sandbenders, an dem noch immer ihre Datenbrille baumelte, ergriff ihn und drehte sich zu dem pinkfarbenen Bett um. Ihre Tasche stand daneben auf dem Fußboden, und die blaugelbe SeaTac-Plastiktüte ragte daraus hervor. Sie zog sie mitsamt dem Ding darin heraus und warf sie aufs Bett. Sie bückte sich, um ihren Sandbenders in die Tasche zu stopfen, warf jedoch einen Blick zur Badezimmertür zurück, als sie etwas zu hören glaubte.
Der Türknauf drehte sich wieder.
Der Russe machte die Tür auf. Als er den Knauf losließ, sah sie, dass seine Hand in etwas steckte, was wie eine leuchtend pinkfarbene Handpuppe aussah. Eins der Sexspielzeuge aus dem schwarzen Schränkchen. Er benutzte es als Isolierung. Er zog es von den Fingern und warf es über die Schulter nach hinten. Das Gezwitscher verklang, als er aus dem Badezimmer trat.
Masahiko, der gerade versucht hatte, einen seiner schwarzen Schuhe anzuziehen, sah den Russen ebenfalls an. Am anderen Fuß hatte er noch den Papierpantoffel.
»Ihr geht?«, sagte der Russe.
»Es liegt auf dem Bett«, sagte Chia. »Wir hatten nichts damit zu tun.«
Der Russe bemerkte die Betäubungspistole auf dem Teppich neben seiner Stiefelspitze. Er hob den Stiefel und trat mit dem Absatz drauf. Chia hörte, wie das Plastikgehäuse zerbrach. »Artemi, meine Freund aus Nowokusnetzkaja, sich hat gemacht große Demütigung damit.« Er stupste die Stücke der Betäubungspistole mit der
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