Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties
Faust an Playboys Brust, genau in der Mitte. Drückt mit dem Daumen seiner geschlossenen Faust gegen Playboys Mantel. Und Playboy rührt sich nicht. Seine Hände, die den Mann beinahe berühren, sind mitten in der Bewegung erstarrt, die Finger gespreizt, aber er rührt sich nicht.
Und dann sieht Silencio, wie sich Playboys Finger um nichts schließen und wieder öffnen. Und die rechte Hand des Mannes kommt hoch und stößt Playboy zurück, und das dünne schwarze Ding wird aus Playboys Brust gezogen, und Silencio fragt sich, wie lange es dort versteckt gewesen sein mag, und Playboy fällt nach hinten, auf das Holz und die Plastikrollen.
Silencio hört jemand pinche madre sagen, und das ist Raton. Wenn Raton das Schwarze nimmt und kämpft, ist er sehr schnell, und man weiß nie, was er dann macht; er tut Leuten weh und schüttelt sich anschließend vor Lachen, saugt die Luft durch den Mund ein. Jetzt kommt er über die Plastikrollen geflogen, das Messer glänzt in seiner Hand, und Silencio sieht das Bild eines Mannes mit Hundezähnen und Flügeln vor sich. Genauso sehen Ratons Zähne aus; seine Schlangenaugen sind weit aufgerissen.
Und das schwarze Ding geht wie ein langer, nasser Daumen durch Ratons Hals. Und wieder stoppt alles.
Dann versucht Raton zu sprechen, und Blut quillt über seine Lippen. Er schwingt das Messer nach dem Mann, aber es durchschneidet nur Luft, und Ratons Finger können es nicht mehr festhalten.
Der Mann zieht das schwarze Ding aus Ratons Hals. Raton schwankt auf weichen Knien, und Silencio denkt daran, wie es ist, wenn Raton zu viel Weißes nimmt und dann zu gehen versucht. Raton hebt die Hände und drückt sie links und rechts an den Hals. Sein Mund bewegt sich, aber es kommen keine Worte heraus. Eins von Ratons Schlangenaugen fällt heraus. Das Auge dahinter ist rund und braun.
Raton sinkt auf die Knie, die Hände noch immer am Hals. Sein Schlangenauge und sein braunes Auge blicken zu dem Mann auf, und Silencio spürt, dass sie ihn aus unterschiedlicher Entfernung anschauen und verschiedene Dinge sehen.
Dann entringt sich Ratons Kehle ein leiser, weicher Laut, und er fällt — immer noch kniend – hintenüber, so dass er mit weit gespreizten Knien und nach hinten gebogenen Beinen auf dem Rücken zu liegen kommt, und Silencio sieht, wie Ratons graue Hose zwischen den Beinen dunkel wird.
Silencio sieht den Mann an. Der ihn ansieht.
Silencio schaut das schwarze Messer an, sieht, wie es in der Hand des Mannes liegt. Ihm ist, als hielte das Messer den Mann. Als könnte das Messer die Entscheidung treffen, sich zu bewegen.
Dann bewegt der Mann das Messer. Dessen Spitze ist fast rechteckig, als wäre die eigentliche Spitze abgebrochen. Es bewegt sich nur ein bisschen. Silencio versteht, was das bedeutet: Er muss hinter der Ecke hervorkommen.
Er macht einen Schritt zur Seite, so dass der Mann ihn sehen kann.
Die Spitze bewegt sich erneut. Silencio versteht.
Näher.
7 WG-HAUS
Wenn du ein Haus in Malibu leer stehen lässt, erklärte Tessa Chevette, kriegst du so Typen rein, die von den Hügeln runterkommen und in deinem Kamin Hunde grillen.
Man wurde sie nur schwer wieder los, diese Typen, und Schlösser hielten sie auch nicht ab. Deshalb vermieteten die Leute, die früher hier gewohnt hatten – vor der Katastrophe – , ihre Häuser bereitwillig an Studenten.
Tessa war Australierin und studierte Medienwissenschaften an der University of Southern California. Ihretwegen war Chevette jetzt hier und hütete ein.
Nun ja, und auch, weil sie, Chevette, sich von Carson getrennt und daher nun keinen Job und kein Geld mehr hatte.
Tessa sagte, Carson sei der letzte Wichser.
Da siehst du, wohin dich das alles gebracht hat, dachte Chevette, während sie auf dem Trainer die Illusion einer Schweizer Bergstraße hinaufstrampelte und den Gestank modriger Wäsche von der anderen Seite der Trockenmauer zu ignorieren versuchte. Jemand hatte – wahrscheinlich letzten Dienstag, vor dem Brand – eine nasse Füllung in der Maschine gelassen, und die verrottete jetzt da drin.
Das war schade, weil es ihr deswegen schwerfiel, auf dem Trainer richtig in Schwung zu kommen. Man konnte ihn auf ein Dutzend verschiedene Fahrräder und ebenso viele Terrains konfigurieren, und Chevette mochte dasjenige, das sie gerade eingestellt hatte, ein altmodisches Zehngangrad mit Stahlrahmen, mit dem man diese Bergstraße hinauffahren
konnte; Wildblumen verschwammen am Rand ihres Sichtfelds. Daneben mochte sie auch
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