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Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties

Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties

Titel: Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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betrat den Holzsteg und ging an der straff gespannten, milchigen Plastikwand entlang, auf die die Pflanzen Halogenschatten warfen und hinter der die Hydrokultur gurgelte. Bog um die Ecke und stieg die Treppe zum Lärm und dem morgendlichen Getriebe der Brücke hinunter. Nigel kam mit einem seiner Karren – einem neuen – auf sie zu. Er war gerade dabei, etwas auszuliefern.
    »Vette«, mit seinem breiten, dümmlichen Grinsen. So nannte er sie.
    »Hast du die Eierfrau gesehn?«
    »Stadtseite«, sagte er, was grundsätzlich San Francisco bedeutete. Oakland hieß immer nur ›Land‹. »Gut, hm?«, mit einer Geste des Erbauerstolzes wies er auf seinen Karren. Chevette sah den hartgelöteten Aluminiumrahmen, die mit dicken neuen Speichen verbundenen Naben und Felgen aus Taiwan. Nigel arbeitete für ein paar von den anderen Fahrern bei Allied, die noch Metallräder fuhren. Es hatte ihm gar nicht gepasst, als Chevette sich einen Papierrahmen
zugelegt hatte. Jetzt bückte sie sich, um mit dem Daumen über eine besonders glatte Lötstelle zu streichen. »Gut«, stimmte sie zu.
    »Macht dieser Japsenscheiß schon Mucken?«
    »Kein Stück.«
    »Kommt noch. Wenn’s zu stark rüttelt, bricht dir das Ding auseinander.«
    »Dann komm ich zu dir.«
    Nigel schüttelte seinen haarigen Kopf. Der verschossene hölzerne Fischköder, der an seinem linken Ohr baumelte, klapperte und wirbelte herum. »Dann isses zu spät.« Er schob seinen Karren Richtung Oakland.
    Chevette fand die Eierfrau und kaufte drei Stück, die auf spezielle Weise in zwei große, trockene Blätter eingewickelt waren. Die pure Zauberei. Man mochte sie gar nicht auspacken, so perfekt war es, und man bekam die Blätter nie mehr zusammen und konnte auch nicht rauskriegen, wie sie es machte. Die Eierfrau nahm den Fünfer und warf ihn in den kleinen Brustbeutel, den sie um ihren dürren Eidechsenhals trug. Sie hatte überhaupt keine Zähne. Ihr Gesicht war ein Nest aus Runzeln mit einem feuchten Schlitz von einem Mund in der Mitte.
    Skinner saß am Tisch, als sie zurückkam. Es war eher ein Bord als ein Tisch. Er trank Kaffee aus einem zerbeulten Thermosbecher aus Stahl. Wenn man reinkam und ihn so sah, merkte man zunächst gar nicht, wie alt er war; nur dass er groß war, seine Hände, seine Schultern, seine ganzen Knochen, alles war groß. Graue Haare, glatt zurückgekämmt, um den Blick freizugeben auf die in einem langen Leben erworbene Sammlung von Narben, kleinen Beulen und schwarzen Pünktchen auf seiner Stirn, die wie Tätowierungen aussahen, obwohl nur irgendwelcher Dreck in alte Schnittwunden geraten war.
    Sie packte die Eier aus, wobei sie das Zauberwerk der Eierfrau zerstörte, und legte sie in eine Plastikschüssel.
Skinner hievte sich von seinem knarrenden Stuhl hoch und zuckte zusammen, als er dabei seine Hüfte belastete. Sie reichte ihm die Schüssel, und er drehte sich zum Coleman hinüber. Wenn er Rühreier machte, benutzte er dazu keine Butter, sondern bloß ein bisschen Wasser. Sagte, das hätte er von einem Schiffskoch gelernt. Die Eier schmeckten gut, aber die Pfanne war schwer sauberzukriegen, und das war Chevettes Job. Während er die Eier aufschlug, ging sie zu der Jacke am Haken und holte das Etui heraus.
    Man konnte nicht genau erkennen, woraus es bestand, und das hieß, dass es teuer war. Etwas Dunkelgraues, wie das Blei in einem Bleistift, dünn wie die Schale von einem dieser Eier, aber man konnte wahrscheinlich mit einem Lastwagen drüberfahren. Genau wie bei ihrem Rad. Erst am Abend vorher hatte sie rausgefunden, wie man das Etui aufmachte; einen Finger hier, den Daumen da, und es sprang auf. Kein Haken oder so was, keine Feder. Weder ein Warenzeichen noch eine Patentnummer. Das Innere war wie schwarzes Wildleder, aber es gab unter dem Finger wie Schaumstoff nach.
    Die Brille, die da drin wie in einem Nest lag. Groß und schwarz. Wie von diesem Orbison auf dem Poster an Skinners Wand, schwarz und weiß. Skinner sagte, wenn man ein Poster für alle Ewigkeit aufhängen wolle, müsse man Kondensmilch als Kleber benutzen. Die aus der Dose. Es gab nicht mehr viele Sachen in Dosen, aber Chevette wusste, was er meinte, und der merkwürdige Typ mit dem großen Gesicht und der dunklen Brille war fest an das weiß gestrichene Sperrholz von Skinners Wand gepappt.
    Sie nahm die Brille aus dem schwarzen Wildleder. Das Zeug kam sofort hoch und bildete wieder eine glatte Fläche.
    Das Ding machte sie nervös. Nicht bloß, weil sie es gestohlen hatte,

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