Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties
als wenn man ihnen bloß ein Bild des Gesuchten gezeigt hätte.
Der Lehrer auf der Akademie in Knoxville hatte Rydells Klasse erklärt, es läge daran, dass man damit den Teil des Gehirns anzapfte, der Informationen über berühmte Leute speicherte. Rydell hatte sich das als eine Art Filmstar-Lappen vorgestellt. Hatten die Leute so was wirklich? Vielleicht war der von Sublett riesig. Auf der Akademie hatten sie Rydell durch das Programm geschickt, und es hatte sich herausgestellt, dass er Howie Clacton, dem Pitcher von Atlanta, aufs Haar glich; an einen Tommy Lee Jones konnte er sich nicht erinnern. Aber damals hatte er auch nicht gefunden, dass er sonderlich große Ähnlichkeit mit Howie Clacton hatte.
Dieser Freddie streckte eine sehr weiche Hand aus, und Rydell schüttelte sie. »Hast du Gepäck?«, fragte Freddie.
»Nur das hier.« Er hob seinen Samsonite hoch.
»Das da drüben ist Mr Warbaby«, sagte Freddie und nickte zu einem Ausgang hinüber, wo eine uniformierte chilanga die Platzkarten der Leute prüfte, bevor sie sie hinausließ. Ein weiterer Schwarzer ragte hinter ihr auf, riesig, so breit wie dieser Freddie und augenscheinlich doppelt so groß.
»Großer Bursche.«
»Mhm«, sagte Freddie, »und wir sollten ihn lieber nicht warten lassen. Sein Bein tut ihm weh heute, aber er hat trotzdem drauf bestanden , vom Parkplatz hier reinzukommen, um dich zu begrüßen.«
Rydell nahm den Anblick des Mannes in sich auf, als er sich dem Ausgang näherte und der Kontrolleurin seine Karte gab. Er war enorm groß, über eins achtzig, aber was Rydell am meisten auffiel, war eine gewisse Reglosigkeit an ihm, und dazu diese kummervolle Miene. Es war ein Ausdruck, den er im Gesicht eines schwarzen Geistlichen gesehen hatte, das sein Vater immer häufiger betrachtet hatte, als es mit ihm zu Ende ging. Wenn man diesem Geistlichen ins Gesicht schaute, hatte man das Gefühl, er hätte bereits
alle schlimmen und traurigen Dinge dieser Welt gesehen, so dass man ihm vielleicht sogar glauben konnte, was er sagte. Jedenfalls hatte Rydells Vater das möglicherweise getan, zumindest ein wenig.
»Lucius Warbaby.« Er nahm die größten Hände, die Rydell je gesehen hatte, aus den tiefen Taschen eines langen, olivgrünen Mantels aus rautenförmig abgesteppter Seide. Seine Stimme war so tief, dass man an unhörbare Bassfrequenzen denken musste. Rydell schaute die Hand an, die ihm hingestreckt wurde, und sah, dass der Mann einen dieser altmodischen, klotzigen Goldringe trug, mit WARBABY in Grotesk-Großbuchstaben aus Diamantsplittern darauf.
Rydell schüttelte ihm die Hand, die Finger über Diamanten und dickes Gold gewölbt. »Freut mich, Sie kennenzulernen, Mr Warbaby.«
Warbaby trug einen schwarzen Stetson, der völlig waagerecht auf seinem Kopf saß und dessen Krempe überall nach oben gebogen war, und eine Brille mit dickem schwarzem Rahmen. Klare Gläser, glatt wie Fensterscheiben. Die Augen hinter diesen Gläsern waren chinesisch oder so; katzenhaft, schräg, von einem seltsamen Goldbraun. Er stützte sich auf einen dieser verstellbaren Stöcke, die man im Krankenhaus bekam. Um sein linkes Bein war ein schwarzer, von großen, mitternachtsblauen Nylonkissen gepolsterter Stützapparat geschnallt. Enge schwarze Jeans, brandneu und noch keinmal gewaschen, steckten in riesigen, mit Spucke polierten, dreifach schwarz changierenden Cowboystiefeln.
»Juanito meint, Sie sind ein anständiger Fahrer«, sagte Warbaby, als wäre es so ungefähr das Traurigste, was ihm je zu Ohren gekommen war. Rydell hatte noch nie gehört, dass jemand Hernandez so nannte. »Er sagt, Sie kennen die Gegend hier oben nicht …«
»Das stimmt.«
»Andersrum heißt das«, sagte Warbaby, »dass niemand hier Sie kennt. Nimm dem Mann das Gepäck ab, Freddie.«
Freddie nahm Rydells Weichkoffer mit offenkundigem Widerwillen, als ob er sich mit so etwas normalerweise nicht gern sehen ließe.
Die Hand mit dem protzigen Ring legte sich auf Rydells Schulter. Es kam ihm so vor, als ob der Ring zwanzig Pfund wiegen würde. »Hat Juanito Ihnen irgendwas drüber erzählt, was wir hier oben machen?«
»Er hat was von einem Hoteldiebstahl gesagt. Meinte, IntenSecure hätte Sie sozusagen unter Vertrag genommen …«
»Diebstahl, ja.« Warbaby sah aus, als ob die moralische Schwerkraft des ganzen Universums auf ihm lasten würde und als ob er bereit wäre, diese Bürde zu tragen. »Etwas wird vermisst. Und jetzt ist alles noch … komplizierter
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