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Idylle der Hyänen

Idylle der Hyänen

Titel: Idylle der Hyänen
Autoren: Friedrich Ani
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Katinka.
    »Du kommst gerade vom Meer«, sagte er und ging in die Hocke, stützte sich mit einer Hand auf dem Tisch ab und kniete sich vor die Couch.
    »An welchem Meer bist du gewesen?«
    Katinka sah ihm in die Augen. Trotz der Bräune in ihrem Gesicht fiel ihm auf, daß ihre Wangen gerötet waren. Ihre Augen wirkten traurig; vielleicht täuschte er sich. »Kannst du nicht stehenbleiben?« fragte sie. »Das sieht viel polizistiger aus.«
    »Polizistiger?«
    »Du bist doch Polizist oder nicht?«
    »Doch«, sagte Fischer, erhob sich wieder und strich mit den Fingern durch seine Haare. »Ich bin Hauptkommissar, ich habe dir doch meinen Ausweis gezeigt. Willst du ihn noch mal sehen?«
    Sie schüttelte den Kopf; dann sagte sie: »Ja.«
    Er zog die Plastikkarte aus der Innentasche seines Sakkos und hielt sie Katinka hin; sie griff nach seiner Hand und umklammerte sie, während sie las.
    »Po-lo-ni-us. Du hast ja gleich drei Vornamen!«
    »Das war der Wunsch meiner Mutter«, sagte Fischer.
    »Po-lo-ni-us«, wiederholte Katinka. »Ni-ko-lai, Ma-ri-a. Einen Mädchennamen hast du auch! Drei Namen. Aber du bist ja auch dreimal so groß wie andere Menschen.« Sie rutschte auf der Couch bis zur Rückenlehne, beugte sich vor, öffnete die Schnallen der Sandalen, streifte die Schuhe ab, stellte die Beine auf das Sitzpolster und zog sie eng an den Körper.
    Fischer steckte den Ausweis ein.
    »Wenn du bis ganz zum Schrank gehst«, sagte Katinka, »dann brauch ich nicht zu dir hochschauen, dann sind wir fast gleich groß.«
    »Gute Idee!« Er machte fünf Schritte rückwärts und blieb stehen. »Jetzt sind wir aber weit voneinander entfernt.«
    »Hörst du mich noch?« Katinka lächelte.
    »Klar und deutlich.« Wieder fiel sein Blick auf ihre kleinen Hände; sie umklammerten den Rocksaum, befingerten die Ärmel der Bluse, den Kragen, schwebten in der Luft und landeten mit einem leisen Patschen auf den Beinen. Die Hände erzählten eine andere Geschichte als die Augen. Wenn Katinka aufsah, verurteilte sie ihre Hände zum Schweigen, sie legte sie in den Schoß und hörte nicht mehr auf zu kratzen.
    »Sehe ich jetzt polizistig aus?« fragte Fischer. Sie nickte; dann beugte sie sich mit einem Ruck nach vorn, streckte den Arm nach der braunen Ledermappe aus, die wie vor zwei Tagen auf dem Tisch lag, tippte mit dem Zeigefinger darauf und ließ sich wieder gegen die Lehne fallen, mit angezogenen Beinen, die Hände auf den Knien.
    »Weißt du noch, wie der Ort am Meer hieß, wo du warst?« Vom Flur her hörte Fischer eine Stimme. Liz telefonierte.
    »Da, wo der schiefe Turm steht«, sagte Katinka.
    »Pisa.«
    Katinka kratzte sich an den Knien, erst mit der einen, dann mit der anderen Hand. Sie hörte auf und zog die Stirn in Falten. »Das darf ich dir gar nicht sagen, das haben wir so ausgemacht.«
    »Mit wem hast du das ausgemacht?«
    »Mit Toni. Gell, stimmt’s, Toni?« Sie griff nach dem Elch und ließ ihn nicken.
    »Und mit wem noch?«
    So fest sie konnte, kniff sie die Lippen zusammen und drückte das Stofftier an sich, klemmte es zwischen Beine und Bauch.
    »Warst du schwimmen im Meer?« fragte Fischer. Die Entfernung zu dem Mädchen schwächte seine Konzentration, es fiel ihm schwer, sich nicht bewegen zu dürfen. Wieso eigentlich nicht? dachte er und machte einen Schritt auf die Couch zu. Katinka zuckte zusammen und verbarg ihr Gesicht hinter dem zotteligen Tier.
    »Seid ihr in einem weißen Auto gefahren?« Er war stehengeblieben, unschlüssig, mißgestimmt. Katinka rührte sich nicht. Fischer überlegte, ob er sich wieder hinknien oder besser setzen oder weiter stehen, ob er das Mädchen in die Burgstraße mitnehmen, ob er mit ihr in die Wohnung am Nothkaufplatz fahren, ob er neben ihr Platz nehmen, ob er zurück zum Schrank gehen sollte, um polizistig zu wirken. Und er überlegte, ob er innerlich zu schrumpfen anfing, weil er sich solche Fragen stellte.
    Wenn seine Kollegen das Fahrzeug identifiziert und eine konkrete Spur zum Aufenthaltsort des hinkenden Mannes entdeckt hatten, mußte er deren Erkenntnisse, ohne Zeit zu verlieren, mit den Ergebnissen seiner Vernehmungen abgleichen; und wenn er nichts Wesentliches zur Klärung des Verhältnisses zwischen dem Entführer und Mörder und dem Mädchen beitragen könnte, würden ihre Ermittlungen schlagartig an Konsistenz verlieren. Also mußte er jetzt zumindest einen grundlegenden Punkt klären.
    »Die zwanzig Minuten sind bestimmt schon lang um«, sagte Katinka und sah ihn
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