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Idylle der Hyänen

Idylle der Hyänen

Titel: Idylle der Hyänen
Autoren: Friedrich Ani
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Ellbogen gegen die Tür und stieß einen Schrei aus. Dann rannte sie ins Wohnzimmer, trat aus Versehen auf eine Scherbe, schrie erneut auf und durchwühlte die Papiere auf ihrem Schreibtisch. Das blaue Band war unter einen Aktenordner gerutscht.
    »So ein Dreck!« rief Liz und zerrte so lange an dem Band, bis es zerriß. Sie feuerte die zwei Hälften in den Papierkorb. »So was ist so was von out! Und Silikon ist so was von ungesund!« Dann taumelte sie schluchzend durchs Zimmer, bückte sich nach einem der Bücher, die er aus dem Regal gezogen und nach ihr geworfen hatte, und hob es auf. Es war eine Sammlung mit Gedichten.
    Liz hockte sich auf den Boden und warf einen letzten, müden Blick zur Tür, zum Flur. Sie schlug eine Seite des Buches auf und begann zu lesen, leise zuerst, dann lauter; am Ende begann sie noch einmal von vorn, wie bei einem Gesang.
    »Werkleute sind wir«, las sie, »Knappen, Jünger, Meister, und bauen dich, du hohes Mittelschiff. Und manchmal kommt ein ernster Hergereister…«
    »… geht wie ein Glanz durch unsere hundert Geister…«, las Valerie Roland, »und zeigt uns zitternd einen neuen Griff. Wir steigen in die wiegenden Gerüste, in unsern Händen hängt der Hammer schwer, bis eine Stunde uns die Stirnen küßte, die strahlend und als ob sie alles wüßte von dir kommt, wie der Wind vom Meer.«
    Sie horchte, ob ihr Mann noch zuhörte, und las weiter. »Dann ist ein Hallen von dem vielen Hämmern und durch die Berge geht es Stoß um Stoß. Erst wenn es dunkelt lassen wir dich los: Und deine kommenden Konturen dämmern. Gott, du bist groß.«
    Sie legte das Buch auf den Tisch neben dem Bett und küßte ihren schlafenden Mann auf die Stirn. Seit einer Woche lag er mit einer fiebrigen Erkältung zu Hause, und er hatte ihr verboten, deswegen freizunehmen.
    Valerie Roland hätte im Stehen einschlafen können, aber sie wollte noch einen frisch gewaschenen Schlafanzug für Hendrik bügeln, und sie durfte nicht vergessen, das Brot für ihn aus dem Gefrierfach zu nehmen. Denn sie arbeitete lange genug in der Mordkommission, um zu ahnen, daß sie morgen nicht vor Mitternacht nach Hause kommen würde.
    21   Unser Alleinunterhalter
    » K omm«, sagte Jan-Erich Schubart und streckte den Arm aus.
    »Ist das denn erlaubt?« fragte Freya Schubart. Sie blickte zur Couch, auf der das Mädchen vor einer Tasse Schokolade saß, mit gewaschenen, geföhnten Haaren.
    »Wir haben Katinkas Vater informiert«, sagte Polonius Fischer. »Wir haben ihn heute morgen gebeten, uns zu begleiten, er hat abgelehnt, das wissen Sie. Alles, was das Mädchen sagt, wird von meiner Kollegin protokolliert.«
    »Sie macht aber nicht den Eindruck, als würde sie was sagen wollen.« Der Zahnarzt betrachtete seine Enkelin. »Sie hat auch zu uns nur bitte und danke gesagt.«
    »Aber sie hat tief und fest geschlafen«, sagte seine Frau.
    Katinka hatte die Nacht im Doppelbett des Gästezimmers verbracht. Als Fischer und Liz Sinkel kurz nach halb neun in die Wohnung gekommen waren, hatte sie auf der Bettkante gesessen und leise mit ihrem Elch gesprochen; Fischer hatte an der angelehnten Tür zugehört, aber kein Wort verstanden. Kurz darauf war sie wortlos ins Wohnzimmer gegangen, ohne auf die Begrüßung des Kommissars zu reagieren.
    »Nach spätestens zwanzig Minuten machen wir eine Pause«, sagte Fischer. »Lassen Sie uns bitte allein.«
    »Wie soll…«, begann Freya Schubart. Sie seufzte, griff nach der Hand ihres Mannes, und sie verließen das Zimmer.
    »Danke«, sagte Liz und schloß die Tür.
    »Ich setze mich in den Sessel«, sagte Fischer zu Katinka – ein wenig zu betont, wie Liz fand, zu kindermäßig.
    Kaum hatte Fischer entschieden, wie er in dem niedrigen Sessel seine langen Beine einigermaßen entspannt plazieren konnte, hob das Mädchen den Kopf. »Du darfst nicht zuhören!« sagte sie zu Liz.
    »Warum?« fragte die Oberkommissarin verdutzt.
    »Weil ich kenn dich nicht.«
    »Den Herrn Fischer kennst du doch auch nicht«, erwiderte Liz – ein wenig zu naiv, wie der Kommissar fand, zu unprofessionell.
    Katinka lehnte sich zurück, klemmte die Hände zwischen die Knie und kümmerte sich nicht um den Elch, der neben ihr umgefallen war.
    Fischer versuchte mit dem Sessel näher an den Tisch zu rücken, was ihm nicht gelang, er brachte seine Beine nicht richtig in Position. »Wir müssen alles aufschreiben, was du uns erzählst.« Er wartete auf eine Reaktion. »Ich muß dich noch einmal fragen, ob du verstanden hast,
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