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Idylle der Hyänen

Idylle der Hyänen

Titel: Idylle der Hyänen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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dich zu deinen Großeltern zurück«, sagte er. »Ich weiß noch nicht, wo du in Zukunft leben wirst. Würdest du gern bei deinen Großeltern wohnen?«
    Wie unter Schmerzen zog Katinka die rechte Schulter hoch. Gekrümmt verharrte sie. »Weiß nicht«, sagte sie, kaum hörbar. Dann drehte sie mit einem Ruck den Kopf. »Wenn du ganz lang im Kloster gewesen bist, dann weißt du bestimmt, was der liebe Gott von Beruf ist.«
    Wie viele Jahre, dachte Polonius Fischer, mußte ein polizistiger Mann in seinem Job verbringen, um so eine Frage gestellt zu bekommen?
    Wie viele Lügen mußte er über sich ergehen lassen, bis er gezwungen wurde, selbst zu lügen? Wie viele Tricks mußte er ausprobiert haben, um auf einen Menschen zu treffen, den er niemals austricksen könnte, weil es plötzlich nicht mehr um die Wahrheit ging, die man beweisen konnte, sondern um jene, die unbeweisbar bleiben mußte, die letzte und höchste und vielleicht einzige Wahrheit im Universum der menschlichen Unwissenheit.
    Wenn du ganz lang im Kloster gewesen bist, dann weißt du bestimmt, was der liebe Gott von Beruf ist.
    Vielleicht hatte er irgendwann darüber nachgedacht und dann nie wieder.
    Vielleicht kehrte für Sekunden das Gefühl der Obhut zurück, das ihn vorhin überwältigt hatte. Vielleicht meinte er, was er sagte.
    »Alleinunterhalter.«
    Katinka hörte nicht auf, ihn anzusehen; dann lächelte sie, blinzelte und stieß einen Seufzer aus.
    »Das ist toll«, sagte sie.
    »Dann ist dem lieben Gott nie langweilig.« Und sie drückte Fischer einen flüchtigen Kuß auf die Wange, schmiegte sich an ihn, strich dem Elch über den Kopf und sagte zu ihm: »Schau, Toni, da drüben ist das Meer. Wenn du magst, kannst du das Salz aus der Luft lecken.«
    Und sie machte es ihm vor.
    22   Das fünfte Gebot
    V on der Sonnenstraße, wo er wohnte, bis zur Pension Ludwig im Westend ging Polonius Fischer zu Fuß, durch den unentschlossenen Vormittag, an dem die Sonne durch die Wolkendecke spitzte und zehn Minuten später Regentropfen fielen, wie verirrt, an bestimmten Ecken der Stadt.
    Lieber hätte er das Mädchen persönlich zurück zu den Großeltern gebracht, aber Liz und Feldkirch hatten ihn gebeten, sofort zu kommen; also forderte er einen Streifenwagen an. Wortlos hatte Katinka ihm an der Tür die Hand gegeben; dann fiel ihr Blick auf das rote, zerknitterte Geschenkpapier, das obenauf in einer Abfalltüte im Flur lag, und sie lächelte zaghaft. Aber sie fragte nichts, sondern folgte der jungen uniformierten Polizistin die Treppe hinunter und sah sich nicht mehr um. Innerhalb von zehn Minuten hatte Fischer daraufhin ein Gedächtnisprotokoll auf seinem Laptop verfaßt und den engbeschriebenen zweiseitigen Bericht in die Burgstraße gemailt. An der Tür fiel ihm ein, daß er das Glas noch vom Balkon holen wollte; doch als er vor dem Strandkorb stand, zögerte er; er schaute hinunter auf die Straße und die Trambahnschienen und hinüber zum grauen Gebäude, er beugte sich über die Brüstung und wünschte, Ann-Kristin würde mit ihrem Taxi vorüberfahren und er könnte ihr winken. Dann ging er und ließ das halbvolle Glas auf dem ausgeklappten kleinen Brett stehen.
    Von Weningstedt wußte er, daß im Haus des Ehepaars Badura nach wie vor niemand öffnete. Esther Barbarov und Micha Schell observierten weiter die Gegend.
    Laut Meldezettel hieß der Mann, der die vergangene Nacht in der Pension Ludwig verbracht hatte und vermutlich einen weißen Passat fuhr, Andreas Mohrhold. In der INPOL-Datei hatte Ohnmus keinen Hinweis auf ihn gefunden.
    Zumindest fiel dem Zeugen Wohlfahrt, wie Weningstedt den Kollegen, die außerhalb des Büros ermittelten, berichtet hatte, das Leugnen zunehmend schwer. Falls er den Namen Badura bestätigen sollte, würde die richterliche Erlaubnis zum gewaltsamen Öffnen und zur Durchsuchung der Wohnung in der Barbierstraße nicht lange auf sich warten lassen.
    Auf dem Weg ins Westend, vorbei am Hauptbahnhof und den neu errichteten Luxushotels, die in einer Umgebung abgasverschmutzter, heruntergewirtschafteter Lokale und wahllos vermieteter Billigläden ihre architektonische Wirkung nur mühsam entfalteten, folgte Fischer seinen Gedanken in die Arktis der Gespräche, die hinter ihm lagen. Er mußte den Knopf seines Sakkos schließen und sich zwingen, nicht krampfhaft zum Himmel zu blicken, in der Hoffnung auf einen Fetzen Sonne für die nackten, schlotternden Gestalten in seinem Kopf. Vor allem mußte er sich vor diesem Mantel aus

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