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Idylle der Hyänen

Idylle der Hyänen

Titel: Idylle der Hyänen
Autoren: Friedrich Ani
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einem Schritt los, überholte Fischer und stieg vor ihm die Treppe hinauf.
    Feldkirch blieb beim Wirt, dessen Gesten immer ausholender wurden.
    Vor der geöffneten Tür mit der Nummer 19 stand ein Streifenpolizist. Am Ende des Flurs trat eine junge Frau mit Kopftuch nach einem runden Staubsauger und schubste ihn in den nächsten Raum.
    »Stapelweise Zeitungen«, sagte Liz und zeigte auf den Tisch.
    Im engen Zimmer befanden sich ein Doppelbett mit einem Nachtkästchen, ein graugestrichener Schrank, ein mickriger Tisch mit zwei Stühlen und ein Séparée mit Toilette, Dusche und Waschbecken.
    »Er wollte rausfinden, was wir wissen.« Liz reichte Fischer eine der Zeitungen, die aussah, als wäre sie zerknüllt gewesen und hinterher glatt gestrichen worden. »Die lag im Papierkorb, sie ist von heute, aber er hat sie anscheinend gestern abend in einem Lokal gekauft. Es fehlt eine Seite.«
    »Welche Seite?« fragte Fischer. Er entdeckte Berichte über die verschwundene Katinka und ihre Rückkehr, über die tote Nonne in Schild auf der Höh, Fotos von dem Haus am Nothkaufplatz sowie von Nele Schubart und ihrer Tochter; die Reporter rätselten über die Zusammenhänge zwischen den beiden Verbrechen und kritisierten die ihrer Meinung nach zu defensive Informationsstrategie der Kripo.
    »Im Haus gibt’s diese Zeitung nicht«, sagte Liz, »und wir hatten noch keine Zeit, vom Kiosk ein neues Exemplar zu holen, wir haben erst die übrigen Gäste befragt und ein paar Nachbarn. Niemand konnte den Mann besonders gut beschreiben, aber alle waren sich sicher, daß er hinkt. Wie heißt er?«
    »Jonathan Badura.« Fischer sah sich um, steckte die Hände in die Hosentaschen und warf einen Blick ins Bad. »War er allein?«
    »Ja. Was bedeutet der Name Andreas Mohrhold?«
    »Ich werde ihn fragen.« Er ging zur Tür. »Laß uns eine Zeitung holen.«
    Im Hinterhof bat er Feldkirch, auf die Kollegen von der Spurensicherung zu warten; er wolle mit Liz noch einmal in die Barbierstraße fahren und versuchen, auch ohne richterlichen Beschluß Zugang zu Baduras Haus zu finden.
    In einem Coffeeshop in der Kazmairstraße, wo der Dienstwagen stand, tranken Fischer und Liz, nachdem sie die Zeitung gekauft hatten, Espresso und lasen abwechselnd jeden Artikel, der ihre Fälle betraf.
    Lange betrachtete Fischer die Seite, die in der anderen Ausgabe gefehlt hatte und zur Hälfte aus einer Werbeanzeige bestand; im oberen Teil waren zwei Fotos und ein knapp gehaltener Stimmungsbericht aus der Landwehrstraße abgedruckt. Fischer las den Artikel, kommentierte ihn nicht, sondern gab ihn an Liz weiter, die ihn überflog und etwas sagen wollte. Aber Fischer war schon aufgestanden. Er wischte sich die Hände an einer Serviette ab und warf die Zeitung auf einen Beistelltisch, auf dem mehrere Illustrierte lagen.
    »Warum redest du nicht mehr?« fragte Liz auf dem Weg zum Auto.
    »Wir machen einen Umweg«, sagte Fischer und wartete an der Beifahrertür, bis Liz aufsperrte.
    »Weißt du, wie du von hier am schnellsten in die Landwehrstraße kommst?«
    »Ungefähr.«
    Sie nahmen die Schwanthalerstraße, bogen zehn Minuten später von der Goethestraße rechts ab und näherten sich, weil der Verkehr wegen eines rangierenden Transporters stockte, im Schrittempo dem Ost-West-Hotel. Sie fuhren am Blue Dragon vorüber und hielten vor einem Handyladen.
    »Schau doch!« rief Liz. »Deine Ahnung hat dich mal wieder nicht getäuscht.«
    Fischer hatte bereits hingesehen.
    Direkt vor dem Eingang des Ost-West-Hotels parkte ein weißer VW Passat voller dunkler Schmutzschlieren; das Fenster auf der Fahrerseite war offen. Hinter dem Lenkrad saß ein Mann in einem weißen Hemd.
    »Soll ich die Kollegen alarmieren?« fragte Liz.
    »Warte«, sagte Fischer und stieg aus.
    »Du darfst nicht allein hingehen!«
    »Mach dir keine Sorgen.«
    »Mach ich mir aber.«
    Er überquerte die Straße und beugte sich zum Wagenfenster hinunter. »Sie sind Jonathan Badura?«
    Der Mann im weißen Hemd sah Fischer aus geröteten Augen an. »Ja.«
    Fischer zog seinen Dienstausweis aus der Tasche. »Sind Sie bewaffnet?«
    »Wozu denn?« sagte Badura, betrachtete den Ausweis und legte die Hände aufs Lenkrad.
    »Sie sind vorläufig festgenommen wegen des Verdachts der Ermordung von Nele Schubart und der Entführung von Katinka Schubart. Sie haben das Recht, die Aussage zu verweigern und einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen, außerdem dürfen Sie Beweiserhebungen beantragen.« Fischer öffnete die Fahrertür.
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