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Idylle der Hyänen

Idylle der Hyänen

Titel: Idylle der Hyänen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Silvester Weningstedt, und wenn du ihm nicht traust, Walter, dann gehst du zu einer anderen Koryphäe. Außerdem fehlt dir nichts, das weiß ich.
    »Damit endet dieses Kapitel«, sagte Fischer und schlug das Buch zu.
    Von Anfang an hatten sie vereinbart, keine Fragen zu stellen und keine Kommentare abzugeben. Die Lesung endete und die Arbeit ging weiter; jeder nahm sein Geschirr und brachte es in die Küche im zweiten Stock, und wer als letzter kam, schaltete die Spülmaschine an.
    Fischers Telefon klingelte.
    »Frau Chen, sehr dringend«, sagte Valerie.
    »Kommissar Fischer? Sie dran?« Die Wirtin sprach mit hektischer, gedämpfter Stimme.
    »Ja.«
    »Mann wieder da, Mann von toter Frau!«
    »Was macht er?«
    »Ißt Hühnerfleisch!«
    Die beiden Streifenpolizisten, die Fischer von seinem Büro aus in die Landwehrstraße geschickt hatte, warteten vor dem Restaurant auf ihn. »Er trinkt Bier und raucht«, sagte der eine.
    »Ich hab mich drin blicken lassen, das hat ihn nicht gejuckt, auf der Flucht ist der nicht.«
    Fischer betrat das Blue Dragon , begrüßte den Mann hinter der Theke, der stumm nickte, und ging zum Tisch vor dem Aquarium.
    »Mein Name ist Polonius Fischer, ich bin Kriminalbeamter bei der Mordkommission. Darf ich mich zu Ihnen setzen?«
    Der Mann, der eine grüne Hose und einen grauen Pullover trug, ein bleiches, unrasiertes Gesicht und ungekämmte braune Haare hatte, war achtundvierzig Jahre alt und ein Mörder. Er hatte keine Angst vor Fischer. Er hatte vor niemandem Angst, außer vor sich selbst; das Bier half ihm, nicht daran zu denken.
    »Nehmen Sie ruhig Platz«, sagte er.
    »Wie heißen Sie?«
    »Jakob Seiler. Aber das ist nicht mein richtiger Name.«

ZWEITER TEIL   Seelen

9   Der betrunkene Klassiker
    » S eit wann wohnen Sie dauerhaft im Ost-West-Hotel?«
    »Seit dem vierzehnten Februar vor einem Jahr.«
    »Und wie lange noch?« fragte Polonius Fischer. Der Mann, der sich Jakob Seiler nannte, klopfte mit dem leeren Schnapsglas auf den Tisch, und die Wirtin eilte herbei.
    »Noch einen bitte und ein Bier.«
    »Sie auch?«
    »Einen Kaffee«, sagte Fischer.
    »Tee besser«, sagte Su Chen und lächelte. Fischer nickte, und sie ging zum Tresen.
    »Verraten Sie mir Ihren richtigen Namen«, sagte Fischer.
    »Will ich nicht. Was wollen Sie von mir, Mister Fischer?«
    »Sie sind betrunken.«
    »Ich bin betrunken, aber ich bin nicht besoffen.«
    »Würden Sie mir bitte in die Augen sehen.«
    »Mit Ihnen flirt ich nicht!«
    Fischer wartete. Der Mann blinzelte, wischte mit einem Blick über Fischers Gesicht und drehte sich zum Aquarium um.
    »Bitte sehr.« Su Chen stellte das Teeglas vor den Kommissar und das Schnaps und das Bierglas auf die andere Seite des Tisches. »Assamtee, sehr gut.« Fast geräuschlos verschwand sie in der Küche. Der Asiate hinter dem Tresen zündete sich eine Zigarette an und blätterte in einer Zeitung. Die zwei Männer vor dem Aquarium waren die einzigen Gäste.
    »Haben Sie diese Frau schon einmal gesehen?« Seiler wandte sich vom Aquarium ab und senkte langsam den Kopf.
    Das Foto stammte aus der Wohnung am Nothkaufplatz. Es zeigte Katinkas Mutter an einem Gasthaustisch; sie lachte und hob ein Sektglas.
    »Die Frau kenn ich nicht.«
    »Sie heißt Nele Schubart, und Sie waren mit ihr in diesem Lokal.«
    »Hier bin ich öfter.«
    »Wann zum letztenmal?«
    »Länger her.«
    »Mit dieser Frau?«
    »Die kenn ich nicht.« Er trank den Reisschnaps und spülte mit Bier nach. Die Haare standen ihm vom Kopf. Den Blicken des Kommissars war er vom ersten Moment an ausgewichen.
    »Die Wirtin hat Sie zusammen gesehen.«
    »Deswegen sind Sie hergekommen?«
    »Ja.« Der Tee war heiß. Fischer stellte das Glas hin und befeuchtete mit der Zunge seine Lippen.
    »Ist was passiert mit ihr?«
    »Sie ist tot.«
    »Kann ich Ihren Ausweis noch mal sehen?«
    »Wieso?«
    »Nur so.«
    Fischer legte den Ausweis auf den Tisch.
    »Mister Fischer«, sagte der Mann.
    Als die Wirtin aus der Küche kam, hob der Kommissar den Arm. »Entschuldigen Sie. Ist das der Mann, den Sie gemeinsam mit der Frau auf dem Foto hier im Lokal gesehen haben, Frau Chen?«
    Die Wirtin nickte.
    »Sicher?«
    »Sehen!« sagte sie. »Grüne Hose. Und Frisur.«
    »Was ist mit der Frisur?«
    »Hat immer Laubfrisur, der Mann. Nicht böse sein, bitte.«
    »Laubfrisur?« sagte Fischer.
    Der Mann fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare und verwirbelte sie noch mehr. »Ich hab gern eine Laubfrisur, so: Noch mehr Laub?«
    Die Wirtin

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