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Idylle der Hyänen

Idylle der Hyänen

Titel: Idylle der Hyänen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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fast hundertprozentig sicher«, sagte Rupert Zimmermann, »weil ich am Freitag immer unsere Fernsehzeitschrift kaufe, für meine Frau und mich, und da kam sie aus dem Haus. Ich stand an der Hecke. Einen Moment.«
    Er ging von der vierstufigen Steintreppe, die zur Eingangstür seines Hauses führte, zum Gartentor. »Ich bin noch mal zurückgegangen, weil meine Frau mir was hinterhergerufen hat, sie wollte, daß ich noch Milch und Toastbrot mitbringe. In dem Moment, als ich mich umgedreht hab, kam sie da drüben raus. Ich bin nicht stehengeblieben, aber ich müßte mich schon schwer täuschen, wenn es jemand anderes gewesen wär.«
    »Wie spät war es da?«
    »Ungefähr halb zehn.«
    »Und dann haben Sie mit Ihrer Frau gesprochen«, sagte Fischer.
    »Ja, ein paar Sätze. Aber die Frau Schubart habe ich dann nicht mehr gesehen. Ich schätze, sie ist die Barbierstraße entlanggegangen und vor zur U-Bahn, das ist der kürzeste Weg.«
    »Später am Tag haben Sie sie oder die kleine Tochter nicht mehr gesehen?«
    »Nein. Ich schau ja auch nicht dauernd rüber, ich bitte Sie. Hier hat jeder seinen Bereich, wir leben nebeneinander, da guckt niemand über den Gartenzaun.«
    Von Esther Barbarov wußte Fischer, daß Frau Zimmermann, die gerade zu ihrem Friseur unterwegs war, Nele Schubart seit mindestens zwei bis drei Monaten nicht mehr gesehen hatte.
    »Das erste Mal seit mindestens zwei Monaten«, sagte Elisabeth Badura in der Tür ihres weißen, anscheinend erst vor kurzem neu gestrichenen Hauses, dessen Vorderfront eine Madonna unter einem kleinen, geschwungenen Kupferdach schmückte. Ein weißer Lattenrostzaun grenzte das Grundstück vom Bürgersteig in der Barbierstraße ab. Hinter einem der Fenster bemerkte Fischer eine Vase mit Lilien und im hinteren Teil eine Glasveranda. Die Frau schätzte er auf Anfang Siebzig, sie war schlank, fast dürr, soweit Fischer das unter ihrem grauen Wollmantel, den sie um die schmalen Schultern geworfen hatte, erkennen konnte. Sie stützte sich auf einen Stock und zitterte. »Ich geh nicht so oft raus, Herr Kommissar. Wir kaufen immer genügend ein, das reicht dann für viele Wochen, und so viel essen wir ja nicht. Am Freitag bin ich nur raus, weil mein Mann unterwegs war und ich eine Flasche Wein kaufen wollte, nichts Schweres, einen leichten Veltliner, den trink ich immer. Und da ging Frau Schubart hier an der Ecke vorbei. Sie kam wahrscheinlich von der U-Bahn.«
    »War sie allein?«
    »Ja. Oder: Ich weiß es nicht, ich hab nur sie gesehen. Falls Katinka dabei war, war sie vielleicht schon vorausgelaufen, das kann ich Ihnen nicht sagen.«
    »Und das war gegen Mittag«, sagte Fischer.
    »Kurz nach zwölf; den Anfang der Nachrichten im Radio hab ich noch mitbekommen, dann hab ich abgeschaltet. Es hat wieder so ein schreckliches Erdbeben gegeben, ich will das nicht wissen.«
    »Frau Schubart ist in Richtung ihres Hauses gegangen.«
    »Ja, in die Richtung. Und, wie gesagt, ich hab sie vorher mindestens zwei Monate nicht gesehen, drei sogar. Ich geh ja nie raus, höchstens abends, in der Dunkelheit. Die Dunkelheit ist mir am liebsten zum Gehen.«
    »Meine Kollegin sagte mir, Sie wollten noch mit Ihrem Mann telefonieren und ihn fragen, wann er Frau Schubart zum letztenmal gesehen hat.«
    »Das hab ich getan, wir haben ja zum Glück auch ein Handy jeder. Er ist in Hamburg, er ist Verkäufer für Kosmetikprodukte, speziell für Friseure; er arbeitet im Auftrag eines internationalen Konzerns, seit fast zwanzig Jahren schon.«
    »Er ist immer noch im Dienst?«
    »Ach, er ist jünger als ich.«
    Es kam Fischer vor, als drücke sie sich gegen den Türrahmen, als würde sie schwanken.
    »Brauchen Sie Hilfe?« fragte er.
    »Nein. Ja, ich hab meinen Mann gefragt. Er sagt, er hat Frau Schubart ewig nicht mehr gesehen, er kann sich nicht dran erinnern. Er ist ja dauernd unterwegs, und wir kennen hier kaum Leute. Jeder lebt für sich, man trifft sich nicht und tauscht sich aus, wozu auch? Die Leute reden sowieso zuviel. Reden viel.«
    »Wann kommt Ihr Mann zurück?«
    »Am Wochenende, Anfang nächster Woche, ich muß im Kalender nachsehen.«
    »Und bis dahin sind Sie allein?«
    »Allein sein, das macht mir nichts aus. Ich hab meine Pflanzen, ich les gern, ich trink mein Glaserl.«
    Fischer verabschiedete sich und wartete, bis die alte Frau die Tür hinter sich abgesperrt hatte. Erst jetzt bemerkte er, daß Liz am Rande des begrünten Nothkaufplatzes auf einer Bank saß. Er winkte ihr zu.
    »Wem winkt er

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