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Idylle der Hyänen

Idylle der Hyänen

Titel: Idylle der Hyänen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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erzählt.«
    »Dein Lieblingsthema. Und wieso?«
    »Etwas ist am Wochenende passiert, was er mir aber nicht verraten will.«
    »Bring ihn her.«
    Die Toilettentür krachte gegen die Wand, und der Mann mit den zerzausten Haaren kam zurück, die Hände in den Gesäßtaschen seiner grünen Hose. »Immer noch da? Schöne Grüße!«
    Er zeigte aufs Handy und sah zum Tresen.
    »Noch ein Bier!«
    Er ließ sich auf seinen Stuhl fallen, stemmte die Ellbogen auf den Tisch und stützte den Kopf in die Hände.
    »Bis gleich«, sagte Fischer ins Handy und steckte es in die Sakkotasche. »Wissen Sie noch, was Sie am vergangenen Freitag getan haben, Herr Flies?«
    Der Mann verzog den Mund, nickte, ohne die Hände vom Kopf zu nehmen, blickte zum Tresen, wo der stumme Mann eine Flasche geöffnet hatte und das Bier ins Glas goß. Die Wirtin war wieder in der Küche verschwunden.
    »Jakob Seiler ist Ihr Pseudonym«, sagte Fischer, »und Sebastian Flies Ihr richtiger Name.«
    »Ich zeig Sie an! Sie haben in meiner Abwesenheit in meinem Eigentum geschnüffelt.«
    Wortlos stellte der Chinese das Bier auf den Tisch und ging zurück an seinen Platz. Flies sah ihm mit zusammengekniffenen Augen nach; dann wollte er zum Glas greifen, ließ seine Hand aber auf den Tisch fallen und lehnte sich zurück.
    »Ja, und? Ich hab der Frau nichts getan. Ich trink jetzt aus, und das war’s für heute. Sie haben überhaupt keine Befugnis an diesem Tisch.«
    »Was wir hier führen, ist ein Vorgespräch, Herr Flies, und ich belehre Sie hiermit, daß Sie als Zeuge zu einer Aussage verpflichtet sind. Haben Sie die Belehrung verstanden?«
    »Ich bin kein Zeuge.«
    »Sie kennen die Frau auf diesem Foto, damit sind Sie Zeuge in einer Straftat und zu einer Aussage verpflichtet.«
    »Brauch ich jetzt einen Anwalt?«
    »Wozu sollten Sie als Zeuge einen Anwalt brauchen?«
    »Damit Sie mich nicht austricksen! Ich will mir nämlich nicht blöd vorkommen in Ihrer Gegenwart, kapiert?«
    »Zum Lügen ist niemand zu dumm«, sagte Fischer. »Das ist eine in Stein gehauene Erkenntnis aus meiner langjährigen Arbeit. Was haben Sie am vergangenen Freitag gemacht, Herr Flies?«
    »Am Freitag? Am Freitag hab ich geweint.«
    »Weshalb?«
    »Aus Traurigkeit.«
    »Ist jemand gestorben?«
    »Genau«, sagte Sebastian Flies und hob die Stimme. »Jemand, der wahrscheinlich letztendlich doch nicht sterben wollt.«
    Er kriegte ihre Haare nicht zu fassen; ihr Kopf tauchte unter seinen Armen durch, und er wich ihr aus, damit sie ihm nicht wieder zwischen die Beine trat, wie am Anfang. Am Anfang, am frühen Abend, hatten sie im Bett gelegen, sie hatte einen Psalm rezitiert, er hatte getrunken, und dann waren sie in Streit geraten, worüber? Er wußte es nicht mehr. Sie hatte gelacht, ihr Atem schwappte über sein Gesicht. Dann schlug sie zu, mit der rechten Faust mitten auf seine Stirn. Er wehrte sich nicht; zuerst; sie schlug mit der linken Faust auf dieselbe Stelle, ihr Körper wippte auf der Matratze auf und ab, sie thronte über ihm und trommelte gegen seine Brust. Dann schlug er zurück. Die Wucht seiner Ohrfeige schleuderte sie auf die Seite und über die Bettkante hinaus; mit einem dumpfen Knall landete sie auf dem Teppich.
    Sie robbte über den Boden. Seiler torkelte hinter ihr her, er wollte sie packen. Sie wirbelte herum und trat ihm zwischen die Beine. Er schrie. Sie sprang auf und trat ein zweites Mal zu, er taumelte, sie lachte, lachte zu lange. Obwohl sie die Arme hochriß, erwischte er mit der einen Hand ihren Kopf, ihre Haare, bog mit der anderen ihren linken Arm nach unten und schleuderte sie im Kreis. Er wußte nicht mehr, ob er sie angegriffen hatte oder sich bloß wehrte, es kam ihm vor, als wäre ein Tier aus ihnen herausgesprungen, das zu lange eingesperrt gewesen war. Die Frau spuckte ihm ins Gesicht er spuckte ihr ins Gesicht, sie trat nach seinen Schienbeinen und verfehlte sie, stolperte und fing an zu weinen. Wie er.
    Er weinte, während er sie quer durchs Zimmer schleifte, seine Hand in ihre Haare gekrallt, seine Fingernägel in ihrer blutenden Kopfhaut; ihre armselige Gegenwehr stachelte ihn an, auch, daß sie ihm Speichel und Blut ins Gesicht spuckte, und er öffnete weit den Mund. Sie schrie, gebückt unter Schmerzen: »Du bist ein Toter! Du hast nicht mal einen Glauben, niemand hört dir zu, du bist aus dem Universum gefallen, und niemand vermißt dich!«
    Und er schrie: »Glaubst du, dein Gott vermißt dich? Oder deine Oberschwester Tarantula?«
    »Es

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