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Idylle der Hyänen

Idylle der Hyänen

Titel: Idylle der Hyänen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Hotel zurück, die Waffe aus der Schachtel nehmen und irgend etwas tun. Was, wußte er nicht. Katinka. Er dachte nach und hörte auf nachzudenken. Nele Schubart war tot. Hatte sie ihm ihren Nachnamen überhaupt genannt? Keine Erinnerung. Wie kam die Polizei auf ihn? Heute. Die Wirtin. Er war selber schuld, er hätte nicht mit der Frau ausgehen sollen. Warum denn nicht? Sie hatten nichts zu verbergen. Als er ihr erzählte, er lebe in einem Hotel, wollte sie sofort mitkommen, noch in derselben Nacht. Wie lange war das her? Tatsächlich zwei Monate? So lange nicht. Oder? Dann hatten sie sich nicht mehr getroffen; ihr Freund werde mißtrauisch, behauptete sie. Flies war sich nicht sicher gewesen, ob sie einen Freund hatte oder bloß keine Lust mehr auf ihn. Vermutlich hätte er über Ines den Mund halten sollen. Aber es hatte ihm gefallen, etwas zu erzählen, das wie eine Lüge klang, wie ein Hirngespinst. War es eines? Wie viele Biere hatte er getrunken? Auch Ines hatte er nachts kennengelernt, wann, das wußte er noch genau: am vierzehnten August. Sie hatte sich an seinen Tisch gesetzt und Wodka getrunken, sie trug ein rotes Cape und einen schwarzen Rollkragenpullover und in ihrem blassen Gesicht mit den eingefallenen Wangen spiegelte sich eine einzige Abwesenheit. Das war sein erster Eindruck gewesen. Sie hatte eine schwarze Reisetasche bei sich. In der Nacht begleitete sie ihn ins Hotel und erklärte, sie würde auf keinen Fall mit ihm schlafen. Und das hatten sie dann auch nie getan, mehr als zwei Wochen lang. Sie hatte ihm ihre Geschichte erzählt. Dann hatte er sie geschlagen. Dann hatten sie wieder getrunken; wie selbstverständlich war sie mit ihm unters Bett gekrochen.
    Vielleicht hatte sie nie existiert, dachte er in diesem Moment, vielleicht hatte er sie in seinem Wahn erfunden und glaubte nun an sie, wie sie an ihren Gott, der sie verstoßen hatte.
    Er hatte nichts verbrochen. Er hatte die Frau nicht ermordet, die Frau auf dem Foto. Nele Schubart. Den Nachnamen hatte er zum erstenmal aus dem Mund des Polizisten gehört. Katinka? Ines. Das war der Name der Frau, die er in der vergangenen Nacht in ihr Heimatdorf begleitet hatte, von wo sie vor vier Jahren ge- flüchtet war. Ines hieß sie, und er wußte, wo sie jetzt war. Er war nicht betrunken genug. Er wußte alles.
    Aber der Kommissar wußte nichts. Wieso, dachte Flies, wurde die Frau auf dem Foto ausgerechnet jetzt getötet? Du bist ein Witzeerzähler, Gott! Du fängst wieder damit an, wie damals, du hast Ines in einen Witz verwandelt und Nele auch und wer weiß, wen noch alles. Mich. Ich bin jetzt dein Witz. Der Polizist schüttet sich aus vor Lachen, du Drecksau, und ich dachte, ich wär dich los.
    »Wir brechen auf«, sagte Fischer.
    »Die Frau, die bei mir war«, sagte Flies, »sie kannte viele Sprüche. Einer lautet: Der letzte Feind, der entmachtet wird, ist der Tod. Kennen Sie den?«
    »Ja.«
    »Sie lügen.«
    »Der Satz stammt aus dem ersten Paulinischen Brief an die Korinther.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Kommen Sie.« Fischer erhob sich. Im mickrigen Licht des Lokals wirkte seine Gestalt riesig, vor allem, als die kleinwüchsige Wirtin an den Tisch kam.
    »Woher wissen Sie das?« fragte Flies. »Waren Sie auch mal in einem Kloster?«
    »Ja.«
    Flies blinzelte, strich sich mit der Hand über die Augen und fing an zu lachen. Er lachte aus vollem Hals und umklammerte mit beiden Händen die Tischkante. Während Fischer seine Rechnung bezahlte und Su Chen sich stumm bedankte, lachte Flies mit vornübergebeugtem Kopf, inbrünstig und kalt. Seine Stimme loderte aus ihm heraus und explodierte dann in einem Hustenanfall, der ihn vom Stuhl warf und zwang, sich auf den Boden zu knien, vor Fischer und die Wirtin, um dort, die Hände auf den Boden gestützt, mühsam seinen Atem wiederzuerlangen.
    11   Menschenlose Stimmen
    » W arum ›auch‹?« fragte Polonius Fischer.
    »Was? Was?«
    »In dem chinesischen Lokal haben Sie mich gefragt, ob ich auch in einem Kloster war? Wer noch? Die Frau, die bei Ihnen war?«
    »Wer denn sonst?«
    Sebastian Flies hatte die Arme verschränkt, seine Blicke irrten um Fischer herum, der ihm am viereckigen Tisch unter dem Fenster gegenübersaß. Er wollte sich die Hände waschen, sie rochen, bildete er sich ein, nach dem Hühnergericht, das er gegessen und mit Sojasauce übergossen hatte, sie rochen nach der Frau, die er auf den Boden gelegt und mit ihrem Mantel zugedeckt hatte, sie rochen, bildete er sich ein, nach dem

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