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Idylle der Hyänen

Idylle der Hyänen

Titel: Idylle der Hyänen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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»Der Rücken«, sagte er, schmatzte und entschuldigte sich.
    »Offenbar hat er seine Flucht länger geplant«, sagte Gesa.
    »Seine Frau fand eine Notiz im Arbeitszimmer ihres Mannes. Bereits ein Jahr vor seinem plötzlichen Verschwinden suchte er nach einem geeigneten Hotel.«
    »Warum wollte er nicht weiter weg?« fragte Liz. »Raus aus der Stadt, in ein anderes Land?«
    »Das haben wir Mutter und Sohn auch gefragt. Sie wissen keine Antwort darauf, sie sind absolut ratlos. Sie wissen etwas, aber sie begreifen es noch nicht. Wie wir, wenn wir in einem Fall feststecken. Der Mann hat sich im wahrsten Sinn aus dem Staub gemacht.«
    »Haben sie die Polizei eingeschaltet?« fragte Liz.
    »Sie haben ihn nicht suchen lassen«, sagte Ohnmus. »Keine Vermißtenanzeige. Gewartet. Weiter gewartet. Unvorstellbar eigentlich. Die Frau liebt ihre Arbeit, sie ist nicht fest angestellt, hat aber ein regelmäßiges Einkommen. Sie arbeitet zwölf Stunden am Tag, sagt sie. Wir haben sie erwischt, als sie gerade mit einem Kamerateam auf dem Weg zu einer Altbausiedlung war, die abgerissen werden soll. Dein Freund, der Oberbürgermeister, plant da ein schmuckes neues städtisches Schwimmbad. Wellneß und eine Menge moderner und einnahmeträchtiger Spaßgeschäfte.«
    »Er ist nicht mein Freund«, sagte Weningstedt.
    »Wie haben sie auf das Foto der toten Frau reagiert?« fragte Fischer.
    »Sie kennen sie nicht«, sagte Gesa. »Ihren Namen haben sie noch nie gehört. Das bringt uns zu den Leuten im Ost-West-Hotel.« Sie schlug eine Seite ihres karierten Blocks um.
    »Wir haben mit den zwei Leuten gesprochen, die ebenfalls als Dauermieter dort wohnen, dem Ehepaar Morgenroth, außerdem mit dem Portier, einem Herrn Fernhaus, der sich Grog nennen läßt, und einigen Gästen, von denen einer seit einer Woche da ist, die anderen seit zwei oder drei Tagen. Außer dem Portier, und der ist sich nicht sicher, hat niemand Nele Schubart in dem Hotel gesehen. Der Portier behauptet, Flies habe öfter Frauen mitgebracht, auch von gegenüber aus der Sunny Bar , die Bardamen verkehren wohl ab und zu in dem ansonsten ehrenwerten Hotel. Die Landwehrstraße liegt im Sperrbezirk, das weiß Herr Grog natürlich, und er hat uns versichert, er würde niemals Zimmer stundenweise vermieten. Und das Ehepaar Morgenroth hat seine Aussage bestätigt, das war nicht überraschend.«
    »Kein Zeuge fürs Wochenende«, sagte Ohnmus.
    »Aber: drei Zeugen für eine andere Frau! Kein Name, keine Beschreibung. Doch: roter Mantel, rotes Cape, mit Kapuze, dunkelrot. Alter: ungefähr dreißig, Mitte dreißig. Sonst nichts. Sie war mehrere Tage bei Flies. Zwei Wochen möglicherweise. Der Portier sagt, die Frau hat das Zimmer nur nachts verlassen. Flies hat ihm Geld gegeben, damit er wegschaut. Er hat weggeschaut. Ging in sein Kabuff, wenn Flies kam und ihn darum bat. Ist keine Straftat. Frag unseren Zeugen, was er dazu sagt. Und: Die Frau hat am Freitag abend das Hotel verlassen. Mit ihrem Cape. Mit ihrer Reisetasche. Der Portier hat sie gefragt, ob sie auszieht, sie hat ja gesagt. Bei der Aussage bleibt er.«
    »Was ist das für eine Frau?« Mit einem bedrohlich gespitzten Bleistift zeigte Weningstedt auf Fischer. »Ist sie wichtig für unseren Fall? Wie wichtig ist der Zeuge?«
    »Das werden wir erst morgen wissen«, sagte Fischer. »Ich lasse sein Hotelzimmer durchsuchen. Gefahr im Verzug und Verdunklungsgefahr. Er kannte Nele Schubart, daran zweifle ich nicht, aber wenn er am Freitag, zur Tatzeit, im Hotel war, noch dazu mit einer Frau, einer weiteren Zeugin, kommt er als Täter nicht in Frage. Er verbirgt etwas anderes vor uns.«
    »Was?« fragte Gesa.
    »Eure Befragungen öffnen nicht das kleinste Fenster«, sagte er zu ihr. »Wie ist das möglich?«
    »Die Frau weiß einfach nichts über ihren Mann.«
    »Wie lang sind sie verheiratet? Einundzwanzig Jahre?«
    »Sie sagt, er hat sich abgeschottet. Irgendwann hat er angefangen, alles schlechtzureden, seine Arbeit, das Fernsehen insgesamt, seine Familie, sein Leben. Und dann hat er sich in sein Arbeitszimmer zurückgezogen und behauptet, er würde einen Roman schreiben. Wenn sie ihn gefragt hat, wie er vorankommt, erklärte er, bald sei sein erster Satz fertig. Das wurde dann offenbar zur Standardkommunikation zwischen den Eheleuten: Hast du deinen ersten Satz geschafft? Und er: Bald. Ein Witz. Der Sohn hat uns dieses Spiel bestätigt. Er hat bis heute nicht verstanden, warum seine Eltern sich nicht längst getrennt

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