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Idylle der Hyänen

Idylle der Hyänen

Titel: Idylle der Hyänen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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sie auch vermissen?« sagte sie. »Im Kloster hat sie sich einen Tag nach ihrer Flucht abgemeldet, der Kontakt zu ihrem Vater besteht nicht mehr, und sonst kennt sie niemanden.«
    »Außer Sebastian Flies. Ich hoffe, die Zelle ernüchtert ihn.«
    »Wenn er so weitertobt, bestimmt. Fährst du jetzt zum Tatort?«
    »Hoffentlich ist es der Tatort«, sagte Fischer und zog den Knoten seiner Krawatte fest.
    »Darf ich dich begleiten?«
    »Du hast hier genug zu tun.«
    Gemeinsam verließen sie das Büro. Liz fragte: »War das damals deine Empfindung: Gottferne?«
    Fischer sah sie an und ging vor ihr die Treppe hinunter. An der Tür zu Valeries Büro, die bereits das Protokoll der Flies-Vernehmung abtippte, blieb er stehen. »Gottferne«, sagte er, »und Menschenferne und Weltferne.«
    Als er den leerstehenden ersten Stock erreichte, beugte Liz sich übers Geländer und rief ihm nach: »Das ist gut, daß du wieder unter die Menschen und in die Welt gegangen bist, da bin ich echt froh drüber!«
    Sein Lächeln behielt Polonius Fischer für sich.
    16   Das Buch Ines
    I hr Gesicht verriet nichts.
    »Ich weiß nicht, ob das wirklich stimmt«, sagte Milena und rubbelte ihre Haare mit einem roten Handtuch ab.
    Ines schaute zur Straße, auf der dorfeinwärts zwei Enten watschelten, als hätten sie den See satt oder das ganze Leben und hofften auf einen gnädigen Mehrtonnerdiesel.
    »Wenn du das nicht weißt«, sagte Milena, »dann ist das nur Gerede. Bin mir nicht mehr sicher, wo ich’s herhab, von meiner Mutter wahrscheinlich. Seit die im Gemeinderat hockt, quillt sie über vor Gerüchten. Vorgestern hat sie erzählt, der Biller-Bauer junior wär mit einer Künstlerin aus der Stadt zusammen, die wär zum Malen hergekommen und hätt drei Tage bei ihm auf dem Bauernhof gewohnt, die vermieten doch Zimmer, und da hätten die sich kennengelernt, und jetzt will er alles hinschmeißen und mit der Urschel in die Stadt ziehen.«
    »Sie heißt Ursula?« fragte Ines.
    »Weiß ich doch nicht! Was hast du, Sehnerl? Du wirst immer blasser. Du bist wieder viel zu lang geschwommen. Wart, wir haben noch eine Flasche Wasser, ich hol sie dir.«
    »Nein«, sagte Ines und um eine andere Stimme zu hören als das Geheul in ihrem Kopf. »Was ist mit der Urschel?«
    »Die will doch von dem Bauern nichts wissen!« Milena legte das Handtuch ans Fußende der Bastmatte, auf der sie mit gekreuzten Beinen saß, und setzte ihre blaue Sonnenbrille auf, rückte sie zurecht und zog den Bauch ein. »Auf jeden Fall ist er in die Stadt gefahren und erst zwei Tage später zurückgekommen, angeblich schwer depri. Der Typ ist vierundzwanzig, ist doch peinlich, sich so zu verhalten. Die arme Künstlerin.«
    »Wieso?« sagte Ines.
    »Möchtest du mit so einem Weichei was haben? Ich nicht. Ist dir schlecht? Du siehst aus, als würdst du gleich in Ohnmacht fallen.«
    »Weißt du das von deiner Mutter oder von jemand anderem?« fragte Ines. »Das von vorhin. Hat sie dir das erzählt? Wie das vom jungen Billerbauern?«
    »Ich weiß nicht mehr.« Milena legte sich auf den Rücken und streckte die Beine. Ihre gebräunte Haut glänzte in der Sonne.
    »Cremst du dich nicht ein?« sagte Ines.
    »Nein, du?«
    Vom Knien taten Ines die Beine weh, Schweiß lief ihr über die Wangen. Um sie herum spielten Kinder und kreischten, ein Junge weinte, Mütter riefen Namen über das schmale, von Buchen und Sträuchern bewachsene Gelände zwischen dem Kiesufer und der Durchgangsstraße. Einmal im Monat radelte Ines mit Milena oder Susi zur Ostseite des Sees, nicht ohne unterwegs am Stadlerkiosk, wo es nach gebeiztem Holz, Steckerleis und Zeitungen roch, eine Flasche Wasser und eine Tüte Weingummis zu kaufen.
    »Haben wir noch Brotzeit?« sagte Milena in den Himmel hinauf.
    Ines blickte zum Baum, an dem die Fahrräder lehnten; an den Lenkstangen baumelten ihre Taschen mit den hineingestopften Hosen und T-Shirts, und auf Milenas Gepäckträger befand sich der Proviant.
    »Kein Wasser mehr«, sagte Ines.
    »Und Schmatzis?«
    Ines wollte ihre Frage beantwortet haben, sonst nichts. In ihr Schweigen hinein richtete Milena sich auf, stippte die blaue Brille auf die Nasenspitze und blickte streng drein; dieser Blick erinnerte Ines sofort an Milenas Mutter, die Rektorin der Grundschule. »Lebst du noch? Hab schon geglaubt, du wärst tot umgefallen!« Sie wandte den Kopf in Richtung Baum:
    »Hol ich mir die Schmatzis halt selber. Hast du schlechte Laune?«
    »Sag mir, wer so was erzählt!« Ines

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