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Idylle der Hyänen

Idylle der Hyänen

Titel: Idylle der Hyänen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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meine Mama immer böse ist, wenn sie jemanden besucht und dann zurückkommt und mich schimpft, weil nicht aufgeräumt ist und ich aber alles aufgeräumt hab, überall in der Wohnung, und mich einsperrt, und ich darf nicht sprechen? Und sie dachte auf dem Arm des großen Mannes: Das hab ich noch nie gewußt, warum ich nicht hab reden dürfen eine Woche lang daheim, bloß weil ich einen Dreier geschrieben hab und keinen Zweier oder spielen wollt im Zimmer oder draußen bleiben wollt am Spielplatz oder nicht mitkommen wollt ins Kaufhaus oder in der Nacht aufgewacht bin, weil ich Angst gehabt hab. Das hab ich noch nie gewußt, warum meine Mama einen Freund hat und ich den nicht kennenlernen darf und warum meine Mama immer arbeitet und nie Zeit für mich hat und warum ich an allem schuld bin und sie nie und warum sie mich nicht mag und ich sie doch so sehr und warum sie wieder weggegangen ist und nicht zurückgekommen ist und warum dann der hinkende Mann die Tür aufgesperrt und mich an der Hand genommen hat und warum ich gleich mitgegangen bin, ohne auf die Mama zu warten. Und sie dachte, als der Mann mit der buckligen Nase, auf der man fast reiten konnte, sie in sein Auto setzte: Das hab ich noch nie gewußt, warum meine Mama nie mit mir ans Meer gefahren ist und warum der Mann das hat tun müssen, den ich Papa nennen durfte, obwohl er mein Papa gar nicht ist.
    »Möchtest du mir etwas sagen?« fragte Fischer vor dem grünen Haus am Bordeauxplatz.
    »Vielleicht später«, sagte Katinka.
    19   Das schwarze Glück
    A uf allen vieren kroch Polonius Fischer durch sein Büro und überflog die Aussagen und Berichte auf den herumliegenden Blättern. Seine rote Krawatte hatte er über die Schulter geworfen, seine Schuhe ausgezogen. Sosehr er auch aufpaßte, jedesmal, wenn er die Richtung wechselte, brachte er seine nur für ihn erkennbare Ordnung durcheinander. Derweil las Silvester Weningstedt an der Tür die Nachricht, die ihm Emanuel Feldkirch aus Schild gemailt und die er soeben mit der neuesten Mitteilung aus dem Labor ausgedruckt hatte. Der Erste Kriminalhauptkommissar sah blaß aus und mußte sich zweimal bücken, weil ihm die Blätter aus der Hand gefallen waren.
    »Endlich haben wir eine definitive Übereinstimmung von Fingerspuren aus der Tiefgarage und der Wohnung am Nothkaufplatz«, sagte Weningstedt. »Und, noch nicht hundertprozentig, aber fast, Obacht: Sie stimmen nach der ersten Analyse mit Abdrücken auf der roten Brille des Mädchens überein.« Er schwenkte den Ausdruck in der Luft. »Endlich!« wiederholte er.
    Mit einer schwungvollen Drehung, die mehrere Zettel aufwirbelte, stemmte Fischer sich in die Höhe. Er tippte auf das oberste der drei Blätter in seiner Hand. »Das ist die vollständige Aussage des Zeugen, der Katinka mit dem hinkenden Mann gesehen haben will…«
    »Er hat den Mann gesehen, ganz sicher«, sagte Weningstedt. »Er hat nur betont, daß er niemanden anschwärzen möchte, deswegen hat er sich so vorsichtig ausgedrückt.«
    »Hier steht, er glaube, daß der hinkende Mann in ein Auto in der Nähe des Spielplatzes gestiegen ist, und es könnte weiß gewesen sein. Ein weißes Fahrzeug. Wer in der Nachbarschaft von Nele Schubart fährt einen weißen Wagen?«
    »Nichtwissen.«
    »Warum nicht?«
    »Was?« entgegnete Weningstedt unwirsch. »Du fragst schon wie Liz. Warum? Warum? Entscheidend ist, daß der Mann hinkt, und nicht, welchen Wagen er fährt!« Er schüttelte den Kopf.
    »Beides ist entscheidend.« Fischer legte das Blatt auf den Tisch und sah sich um. »Wo ist die Wasserflasche, die hier stand?«
    »Hat sich Walter ausgeliehen, entschuldige, daß er dich nicht angerufen und um Erlaubnis gefragt hat.«
    Fischer zog den Knoten seiner Krawatte enger und schaute auf die Uhr. Es war siebzehn Uhr achtundzwanzig. Dann richtete er seinen Blick auf Weningstedt, ohne etwas zu sagen.
    Nachdem er eine Weile auf die Papiere in seiner Hand gestarrt hatte, sagte Weningstedt und deutete mit dem Finger auf einzelne Sätze: »Gesa und Emanuel waren mit Sebastian Flies am mutmaßlichen Tatort. Er hat sie hingeführt, eine bewaldete Stelle am See mit Sträuchern und Buchen. Es hat in der Zwischenzeit geregnet, aber die Kollegen haben Haare gefunden, die sie der Toten zuordnen. Die DNA folgt, außerdem Blutspuren. Flies beteuert, daß die Tat dort passiert sei, allerdings habe er auf Verlangen gehandelt. Er habe sie ermordet, weil sie ihn darum gebeten habe. Er gibt alles zu, nur nicht vorsätzliches

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