If you stay – Füreinander bestimmt
Notizblock notiert.
»Wieso glauben Sie, dass Ihre Träume ›schräg‹ sind?«, hakt er nach und schaut mich mit seinen dunklen Augen forschend an. »Haben Sie sie schon mal geträumt?«
Ich schüttele den Kopf. »Ich träume von meiner Mutter. Und das habe ich seit meiner Kindheit nicht mehr getan. Ich habe irgendwann einmal beschlossen, nicht mehr an sie zu denken. Ich muss zugeben, dass ich versuche, schmerzhaften Dingen aus dem Weg zu gehen.«
Der Therapeut nickt, während er sich weitere Notizen macht. »Das ist nicht ungewöhnlich«, erklärt er. »Vermeidung liegt in der menschlichen Natur. Aber erzählen Sie mir doch von diesen Träumen.«
Also tue ich es. Ich erzähle ihm von dem flehentlichen Bitten meiner Mutter. Und dass ich Angst habe, aber nichts sehen kann, und dass sich meine Mutter auf einmal in Mila verwandelt.
Dr. Tyler mustert mich erneut. »Das klingt so, als würden Sie Mila irgendwie mit Ihrer Mutter in Verbindung bringen. War Ihre Mutter auf irgendeine Weise wie Mila?«
Ich denke für einen Moment darüber nach. Und obwohl es schon so lange her ist, seit ich es zum letzten Mal gesehen habe, kann ich mich immer noch an das Lächeln meiner Mutter erinnern.
»Meine Mutter hatte ein hübsches Lächeln«, sage ich. »Es war sehr warm – wie Milas. Vielleicht ist das der Grund.«
Der Doktor kritzelt etwas auf seinen Notizblock. »Fällt Ihnen sonst noch etwas ein?«
»Ich weiß nicht«, sage ich nachdenklich. »Mila ist so sanft und anmutig. Ich glaube, meine Mutter war auch so. Vor meiner Geburt war sie Balletttänzerin. Mila ist Malerin … Also sind sie beide künstlerisch veranlagt.«
Mehr Kritzelei.
»War Ihre Mutter Ihnen gegenüber tolerant? Hat sie Sie bedingungslos geliebt?«
Ich starre ihn an. »Ich war erst sieben, als sie gestorben ist. Aber ich schätze schon, dass das der Fall gewesen ist.«
»Ist Mila Ihnen gegenüber tolerant?«, erkundigt sich Dr. Tyler mit ruhiger Stimme. Sein Stift verharrt für den Augenblick über dem Block. Ich starre ihn erneut an. Möglicherweise ist er da auf etwas gestoßen.
»Ja«, erwidere ich. »Aus irgendeinem Grund ist sie sehr geduldig mit mir gewesen.«
»Genau wie Ihre Mutter«, stellt Dr. Tyler fest.
»Ja«, stimme ich ihm mit klopfendem Herzen zu. Keine Ahnung, warum ich so reagiere. Meine Hände sind schweißnass. Ich wische sie an meiner Jeans ab.
»Erzählen Sie mir von Ihrem Drogenkonsum«, sagt Dr. Tyler nun, ohne aufzublicken.
»Sie werden wohl nicht lockerlassen, was diese Drogensache angeht, was?«, entgegne ich seufzend.
Er lächelt und schüttelt den Kopf.
»Menschen greifen aus den unterschiedlichsten Gründen zu Drogen«, sagt Dr. Tyler. »Ich würde gern herausfinden, welche Gründe Sie haben.«
Ich gebe mir Mühe, meinen Verdruss zu verbergen. Ich möchte an die Wurzel meines gegenwärtigen Problems herankommen, nicht nach etwas Nutzlosem graben. Doch ich lasse ihm seinen Willen.
»Ich habe gleich nach dem Tod meiner Mutter angefangen, Schlaftabletten zu nehmen. Mein damaliger Therapeut hat sie mir verschrieben, weil ich ständig Alpträume hatte und nicht mehr richtig schlafen konnte. Mit den Jahren habe ich Gefallen daran gefunden, sie zu nehmen und damit vor der Realität zu entfliehen. Ich habe angefangen, andere Drogen zu nehmen. Und habe eigentlich erst vor kurzem damit aufgehört.«
Dr. Tyler hört auf zu kritzeln und blickt auf.
»Sie haben damit aufgehört? Warum?«
Ich nicke. »Habe letzte Woche alles weggeworfen. Ich will mich im Moment nicht betäuben. Wie ich Ihnen schon sagte, ich bin kein Junkie. Es ist keine große Sache für mich.«
Er legt den Stift nieder und sieht mich an. »Sie halten Drogenmissbrauch für keine große Sache?«
Ich atme aus und spiele mit meinen Händen herum. »Natürlich ist es nicht legal und auch nicht gerade gesund. Aber ich will damit nur sagen, dass ich nicht süchtig bin. Ich habe kaum ein Verlangen danach verspürt, seit ich das ganze Zeug den Abfluss hinuntergespült habe.«
Der Therapeut nickt. »Manche Menschen sind suchtanfälliger als andere. Sie scheinen von Drogen nicht so schnell körperlich abhängig zu werden. Das ist ein Punkt zu Ihren Gunsten. Aber ich würde gern darüber reden, warum Sie so lange Drogen genommen haben, wenn Sie nicht süchtig geworden sind. Sie haben mir gerade erzählt, dass es nicht gesund ist. Wenn Sie sich dessen bewusst sind, warum haben Sie Ihrem Körper das so lange angetan, obwohl Sie jederzeit hätten
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