Ifenfeuer: Allgäu-Krimi (German Edition)
gegenüber. Bis nun Bruggers Tod bekannt wurde. Und plötzlich schien sich das Blatt zugunsten der Ifenbahn zu wenden. Hatte hier eine wundersame Fügung den Gegner aus dem Weg geräumt? Im Tal wurden bald heimliche Wetten darüber abgeschlossen, dass nur Kandelholz der Täter gewesen sein konnte, denn jemand wollte gehört haben, wie er Brugger voller Wut ins Gesicht geschleudert hatte: »Warte bloß, was passiert, wenn du nicht mit dieser Hetze aufhörst!«
Bei der aktuellen Versammlung kam auch bald die Rede auf Bruggers Tod und seine Folgen für eine neue Ifenbahn. Statt Brugger erhob nun Josefine Kohler schwere Vorwürfe gegen die Bahn, indem sie im Prinzip Bruggers Argumente übernahm und die Zerstörung der Natur im Gottesackergebiet immer wieder lauthals herausstrich.
»… und die Natur ist einmalig! Wir können es uns nicht leisten, unseren Kindern und Enkeln nur noch Fragmente davon zu hinterlassen. Es kann nicht angehen, dass wegen ein paar tausend Skifahrern oder Wanderern ein Gebiet zerstört oder nutzlos wird, das in Jahrhunderttausenden entstanden und in seiner Art in Österreich und Deutschland einmalig ist …«
Hier wurde sie von Kandelholz unterbrochen. »Aber Frau Kohler, niemand von uns will, dass die Natur zerstört oder nutzlos wird. Wir sind auf das Höchste daran interessiert, sie zu erhalten, schließlich leben wir doch alle zu einem Großteil von ihr und mit ihr. Also liegt es in erster Linie auch im Interesse der Ifenbahn, diese wunderbare Natur am Gottesackerplateau zu erhalten, und wir werden alles daran setzen, dass dies geschieht. Es hilft uns auf der heutigen Versammlung bestimmt nicht weiter, wenn wir uns nur die allseits bekannten Vorwürfe vorleiern und nichts wirklich Neues zu hören ist. Ich wiederhole noch einmal: Dem Naturschutzgebiet dort oben wird nichts passieren, wenn wir mal eine verlängerte Bahn aus dem Tal bauen sollten, was zum jetzigen Zeitpunkt ja überhaupt noch nicht beschlossen ist. Dafür verbürgen wir uns, und dieses Versprechen kann ich im Namen der Kleinwalsertaler-Bergbahn-Gesellschaft heute abgeben.«
Doch Josefine Kohler winkte ab. »Nix als leere Versprechungen, das kennt man doch. Ich will lieber auf einen Teil der Touristen verzichten, als auf die Erhaltung der Natur …«
Da aber erhob sich lautstarker Widerspruch im Saal, vor allem Vermieter und Gastronomen wetterten dagegen, so dass eine Zeitlang niemand mehr ein Wort verstand, weil sich auch Josefine Kohlers Anhänger einmischten.
Am Vorstandstisch läutete der Obmann permanent seine Glocke, aber niemand hörte darauf. Ergeben saßen die Mitglieder des Vorstandes auf ihren Stühlen und sahen kopfschüttelnd auf das Tohuwabohu im Saal. Kandelholz war nahe dran, sich mit dem Finger an die Stirn zu tippen, hielt sich aber rechtzeitig zurück. Das hätte noch mehr Öl ins Feuer gegossen, dachte er und lehnte sich zurück. Seine Gedanken gingen zu Brugger. Mit ihm war tatsächlich der Hauptgegner ausgeschaltet worden. Wer da wohl seine Finger im Spiel hatte? Ein leises Lächeln stahl sich um seine Lippen. Na ja, eben Pech gehabt.
Endlich konnte die Ruhe im Saal wiederhergestellt werden. Der Obmann bat um zivilisiertes Verhalten und eine sachliche Diskussion. Aber an diesem Abend gelang es nicht mehr, die beiden Lager zu einer übereinstimmenden Haltung zu bringen.
Nach Ende der Versammlung gingen einige der Auseinandersetzungen auf den Straßen noch lautstark weiter.
Kandelholz aber fuhr nicht unzufrieden nach Hause.
Ein Hauptgegner war aus dem Weg geräumt.
12 Wegen des Skelettfundes auf Schneiderküren, den er selbst nicht weiterverfolgen konnte, hatte Wanner Eva Lang beauftragt, zur Schule nach Sonthofen zu fahren. Sie sollte dort einiges über Horst Brugger in Erfahrung bringen, dabei aber nicht nur mit dem Schulleiter, sondern auch mit Kolleginnen und Kollegen Bruggers sprechen, um so ein umfassenderes Bild zu erhalten. Ihre Erkenntnisse sollte sie schriftlich zusammenfassen und Wanner dann auf den Schreibtisch legen. Er glaubte zwar nicht, dass er viel zur Lösung des Falles erfahren würde, aber er wollte sicher sein, nichts übersehen zu haben.
Für Riedle blieben Recherchen bezüglich weiterer Ergebnisse der Obduktion und Nachforschungen zur Identität der toten Frau übrig. Wobei er, wie Wanner noch mitteilte, auch unter Zuhilfenahme der Spurensicherung versuchen sollte, das Gesicht der Toten wieder kenntlich machen zu lassen und dann ein Bild davon an die Zeitung weiterzugeben.
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