Ifenfeuer: Allgäu-Krimi (German Edition)
alten, mit Kassetten verzierten Haustür endete. Der nächste Nachbar wohnte ein ganzes Stück weit weg. Aniser hatte also eine schöne Aussicht auf Kanzelwand und Fellhorn.
Wanner sah diese Idylle und stellte fest, dass der Pfarrer nicht nur einen guten Geschmack hatte, sondern auch Ordnung liebte und ein zufriedenes Leben führte.
Sie öffneten das Staketentürchen und gingen zur Haustür. Bevor Berger läuten konnte, wurde die Tür geöffnet, und Gotthelf Aniser trat heraus.
»Gott zum Gruß den Friedlichen, die kommen, den Müden, die verweilen, und den Besänftigten, die gehen!«, sagte er mit einer überraschend klaren Stimme. Er mochte etwas über achtzig Jahre alt sein. Sein weißes Haar umrahmte das hagere Gesicht, in dem sich Furchen eingegraben hatten. Er trug eine schwarze Hose und einen ebensolchen Pullover, an dessen Ellbogen Lederherzen aufgenäht waren. Um den Hals hing eine Brille an einem schmalen Band, und beim näheren Hinschauen entdeckte Wanner ein Hörgerät im rechten Ohr. Berger fiel auf, dass er dieses Mal keinen Stock beim Laufen verwendete.
Aniser richtete seine dunklen, scharf blickenden Augen auf die Ankömmlinge, von denen ihm nur Berger bekannt war. Misstrauen war zu erkennen. Er stellte sich in die offene Haustür, gleichsam als Wächter seines Lebensbereiches.
»Ich weiß, warum ihr kommt, Herr Berger hat es angedeutet«, fuhr er nach der Begrüßung fort. »Und ich hoffe, dass euer Weg nicht umsonst war!« Wanner und Eva sahen sich verblüfft an. Sie hatten nicht erwartet, dass der allseits als unzugänglich verschriene Pfarrer ihnen mit dieser Offenheit begegnete.
Aniser trat ins Haus zurück, die drei folgten ihm. Ein getäfelter Gang durchschnitt die Breite des Hauses in der Mitte. An den Wänden hingen einige Bilder mit religiösen Motiven, im Hintergrund führte eine Holztreppe mit einem geschwungenen Ansatz zum ersten Stock. Über einer Holztruhe mit alter Bemalung hing ein großes Kruzifix. Die Steinplatten des Weges zur Haustür setzten sich im Gang fort, der teilweise von einem einfachen bunten Läufer bedeckt wurde. Alles machte einen sauberen, geordneten Eindruck.
Der Pfarrer öffnete eine Tür auf der rechten Seite und trat mit einer auffordernden Handbewegung ein. Offensichtlich war dies seine Wohnstube. Hinter der Tür befand sich ein Kachelofen mit hellbraunen Schüsselkacheln. Der Tür gegenüber standen ein behäbiger Tisch mit Fußleisten und zwei Stühle mit geschnitzten Lehnen. An der Wandseite verlief eine Bank ums Eck. Den Herrgottswinkel zierten künstlerisch gestaltete Figuren: ein Kruzifix, eine Madonna mit Kind und zwei Engelsköpfe. Ein Sofa stand an der linken Wandseite, ein alter Schreibtisch an der rechten, darüber war ein Regal angebracht. Geblümte Vorhänge gaben dem Raum ein freundliches Aussehen, das von der schräg einfallenden Sonne noch verstärkt wurde.
Aniser zog einen Stuhl heran und wandte sich an Berger. »Nehmen Sie hier Platz, und Sie beide auf der Eckbank, dies ist mein Stuhl.« Er setzte sich auf den zweiten Stuhl, so dass er die drei Kriminalbeamten gut im Blick hatte.
»Berger kenne ich. Verraten Sie mir, wer Sie beide sind«, bat er, an Wanner und Eva gewandt.
Mit wenigen Worten schilderte Wanner seinen und Evas Arbeitsbereich. Als Aniser schwieg, fuhr er gleich fort: »Wir sind zu Ihnen gekommen, weil Sie uns vielleicht bei der Suche nach dem Mörder, oder der Mörderin von Horst Brugger und der unbekannten Frau vom Hölloch behilflich sein könnten.« Er berichtete vom bisherigen Geschehen.
Der Pfarrer hörte zu, ohne ihn ein einziges Mal zu unterbrechen.
»Wir würden von Ihnen als ehemaligem Seelenhirten dieser Gemeinde gerne erfahren, was es mit diesem Mysterium am Ifen auf sich hat. Natürlich ist es schwer zu glauben, dass es dort oben spukt oder wie immer man das Erscheinen von Raben, Gämsen, Auerhähnen oder altertümlich gekleideten Menschen bezeichnen mag. Ich muss aber gestehen, dass mir die Geschichte sonderbar, ja unheimlich vorkommt, schließlich habe ich auf Schneiderküren und am Hölloch selbst solche Erscheinungen erlebt. Alles Zufälle? Können Sie uns etwas erzählen, was uns eventuell einen Zusammenhang zwischen den Mordfällen erklären könnte, vielleicht sogar in die Geschichte der Steinzeit zurückreicht?« Wanner hüstelte verlegen. »Denn wie wir gehört haben, sollen die beiden Gestalten in Fell oder Ähnliches gekleidet sein. Oder gibt es in Riezlern ein Modegeschäft, das solche Kleidung
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