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Ihr Kriegt Mich Nicht!

Ihr Kriegt Mich Nicht!

Titel: Ihr Kriegt Mich Nicht! Kostenlos Bücher Online Lesen
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legte er ein altes Video in den Recorder. Die Brüder Löwenherz , ein Film, den er bestimmt schon hundertmal angeguckt hatte. Die Geschichte kannte er auswendig. Das Video war abgenützt, das Bild verschwommen, mit flimmernden Rändern. Tengils Männer standen mit Schwertern und Speeren oben auf der Mauer. Schwarze Helme und flatternde Umhänge. Krümel und Jonathan. Mik schlief vor dem Fernseher ein.
     
    »Mik. Wach auf!«
    Tony schüttelte ihn.
    »Mik, wo ist der Alte?«
    »Ich hab sie reingelassen.«
    »Wen?«
    »Sie haben Papa mitgenommen.«
    »Papa mitgenommen?«
    »Mit dem Krankenwagen.«
    Mik holte den Zettel, den er bekommen hatte, und reichte ihn Tony.
    »Sozialamt Solna«, las Tony.
    »Wir kriegen Hilfe.«

 
    ZWEITER TEIL
     
    DAS EISLAND

DIE REISE
    Mik zog seine warme Jacke an und schnürte die Turnschuhe zu. Die Tasche hatte er schon früh am Morgen gepackt. Die Frau mit den Papageien an den Ohren legte die Tasche in den Kofferraum des Autos.
    »Hast du alles dabei?«
    »Ja.«
    »Und bessere Schuhe hast du nicht?«
    »Nein.«
    »Ganz schön kleine Tasche«, sagte sie und lächelte ihn an, als wäre sie seine Freundin. Aber das war sie nicht. Sie war die Papageienfrau. Nie im Leben würde er ihr Freund werden. Sie stiegen ins Auto.
    »Der Bus fährt um zwölf Uhr zwanzig vom Cityterminal ab. Wir müssen uns beeilen. Schnall dich bitte an!«
    Ruckelnd fuhren sie aus Solna heraus und an Norrtull vorbei in die Stadt. Es herrschte dichter Verkehr mit viel Rotlicht an den Ampeln. Jedes Mal, wenn sie auf Grün warteten, sah sie ihn an und redete mit gekünstelter Stimme auf ihn ein, als wäre er ein kleines Kind, aber was sie sagte, war total unbegreiflich.
    »Weißt du, was jetzt passieren wird?«
    »Nein. Woher soll ich das wissen?«
    Die Ampel wurde grün.
    »Also, das ist so«, sagte sie und gab Gas. »Laut Sozialgesetzbuch, SGB, kann das Sozialamt Eltern und Kindern Unterstützung und Hilfe auf freiwilliger Basis anbieten.«
    »Aha«, sagte Mik und sah die vielen Häuser, Schilder und Menschen an.
    Taxis hupten. Mitten auf der Straße hielt ein Laster und lud Waren ab. Ein Bus versuchte sich mit nur ein paar Millimetern Abstand vorbeizumanövrieren. Es begann zu regnen. Sie schaltete die Scheibenwischer an.
    »Dein Vater bleibt für sechs Wochen in Behandlung. Und du wirst bei der Schwester deines Vaters wohnen, deiner Tante. Das wird eine lange Reise. Morgen Vormittag bist du dort. Eine bessere Lösung haben wir innerhalb so kurzer Zeit nicht gefunden.«
    »Ich kann daheim wohnen«, sagte Mik.
    »Nicht allein.«
    »Mit Tony. Er ist mein großer Bruder.«
    »Tony wird auch nicht daheim wohnen.«
    »Kommt er mit zu meiner Tante?«
    »Nein.«
    »Warum denn nicht?«
    »Wir sind gleich da. Wir müssen nur deinen Bus finden.«
    »Darf ich bald wieder nach Hause?«
    »Selbstverständlich. Es ist nur eine vorübergehende Lösung. Alles wird bestens. Das ist schließlich mein Job.«
    »Was denn?«, fragte Mik. »Alles bestens machen?«
    Sie lächelte ihn wieder an. Er lächelte nicht zurück. Niemand hatte ihn gefragt. Alles passierte einfach. Er bekam Geld und löste selbst die Fahrkarte beim Fahrer. Der Bus fuhr nach Umeå in Nordschweden, dort würde er dann umsteigen müssen, in einen Bus, der ans Ende der Welt fuhr. Die Papageienfrau hatte ihm alles auf einen Zettel geschrieben. Mik suchte sich einen Fensterplatz, der Bus fuhr ab, und sie stand draußen und winkte. Er winkte nicht zurück.
     
    Es war viele Jahre her, seit er Tante Lena zuletzt gesehen hatte. Wahrscheinlich bei der Beerdigung. Dunkle Haare, große Augen und eine heisere Stimme. Das war alles, woran er sich erinnern konnte. Und dass sie weit weg oben im Norden wohnte. So weit weg, dass sie nie hingefahren waren, um sie zu besuchen. Ob sie nett oder böse oder schwierig war, wusste er nicht.
    Im Bus gab’s Fernsehen. Sie zeigten einen unbegreiflichen Film. Mik lehnte den Kopf an das kühle Glas des Fensters. Draußen dämmerte es. Der Bus schaukelte weich. Hinter dem regengestreiften Fenster stürzte der Abend vorbei, grau und trist. Morgen würde er dort sein. Irgendein Handy klingelte, leise Unterhaltungen und eine raschelnde Chipstüte.
     
    Als Mik aufwachte, lehnte er immer noch mit dem Kopf am Fenster. Er hatte einen steifen Nacken. Die ganze Landschaft draußen im Morgengrauen war weiß. Dicker Schnee drückte die Äste der Tannen hinab. Nichts als Wald und Wald und wieder Wald. Die Wildnis schien unendlich. Doch dann tauchten

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