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Ihr Kriegt Mich Nicht!

Ihr Kriegt Mich Nicht!

Titel: Ihr Kriegt Mich Nicht! Kostenlos Bücher Online Lesen
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gingen. Die Lehrerin sah aus, als wäre sie so alt wie die Schule. Sie stellte Mik vor sich hin und legte ihre runzligen Hände auf seine Schultern. Er wand sich, bis er frei kam.
    »Das hier ist Mik. Er wird eine Zeit lang in unsere Klasse gehen, und eure Aufgabe wird sein, euch um ihn zu kümmern.«
    Alle glotzten. Unbekannte Augen. Einige grinsten, andere sahen sauer aus. Mik wollte nach Hause.
    Pi saß am Fenster. Sie lächelte und drückte ihre Ohren mit den Zeigefingern nach vorn, dass sie abstanden. Ließ sie wackeln.
    Die Lehrerin legte ihm wieder die Hände auf die Schultern.
    »Jetzt darfst du dich selbst der Klasse vorstellen.«
    Mik wand sich unter ihren Händen hervor und blieb schweigend stehen.
    »Irgendwas wirst du doch über dich sagen können.«
    »Ich heiße Mik, und ich bin … verdammt klein für mein Alter, meine Ohren sind das Einzige an mir, was wächst.«
    Pi brach in schallendes Gelächter aus und der Rest der Klasse ebenfalls. Mik stand mit steinerner Miene da, wie erstarrt. Sie durften gern lachen. Jetzt war es ausgesprochen, das mit den Ohren war heraus. Wenn sie ihn ärgern wollten, mussten sie sich was anderes ausdenken. Und was die komischen Stiefel anbelangte, solche trugen sie alle. In Turnschuhen konnte man hier nicht überleben. Hier lebte man in Stiefeln.
    »Bei uns wird nicht geflucht«, sagte die Lehrerin.
    »Tut mir leid.«
    Es wurde still, alle warteten gespannt darauf, dass er noch etwas sagen würde. Ein Stuhl scharrte, ein Stift fiel zu Boden, jemand war verschnupft und zog die Nase hoch.
    »Ich werde den Weltrekord im Luftanhalten brechen«, sagte Mik. »Zurzeit hält der Deutsche Peter Hirvell den Rekord, und er hat weder hyperventiliert noch Sauerstoff benützt. Der Rekord ist sechs Minuten und drei Sekunden.«
    »Oho!«, sagte die Lehrerin.
    »Über sechs Minuten?«, sagte ein sommersprossiger Junge. »Das glaub ich nicht.«
    »Mein eigener Rekord ist drei Minuten und fünf Sekunden. Das heißt, wenn ich’s überlebt hab. Da bin ich mir manchmal nicht so sicher.«
    »Klar hast du überlebt«, sagte die Lehrerin. »Schließlich stehst du hier.«
    Mik sah sich um: »Das hier ist vielleicht eine Parallelwelt.«
    »Klingt interessant«, sagte die Lehrerin. »Und jetzt setz dich. Du darfst neben Pi sitzen. Sie wird dir helfen, damit du die richtigen Bücher bekommst und so weiter. Du musst versuchen, dein Niveau in Mathe und Englisch zu finden. Ich weiß nicht, was du kannst und wie weit du bei dir zu Hause in der Schule gekommen bist. Aber das wird alles werden.«
    Mik setzte sich. Pi beugte sich zu ihm herüber und flüsterte ihm ins Ohr: »Du bist witzig.«
    »Ich?«
    Die erste Stunde bereitete keine größeren Probleme. Sie durften zeichnen, während die Lehrerin aus einem Buch vorlas. Mik zeichnete eine Sperbereule.
     
    In der ersten Pause scharten sich Pi und ihre Freunde um ihn. Pi deutete erst auf den einen, dann auf den anderen und sagte: »Der Sommersprossige hier, das ist Filip. Der ist immer sauer und verrotzt.«
    »Meensch«, sagte Filip und wischte sich den Rotz mit dem Jackenärmel ab.
    »Der hier, das ist Oskar, bei dem sieht’s drinnen im Kopf genauso kraus aus wie auf dem Kopf. Darum schielt er auch so. Das Gekräusel da drin hat alles so durcheinandergebracht, dass seine Augen über Kreuz gucken.«
    »Ich heiße Mik«, sagte Mik.
    »Das wissen wir«, sagte Filip. »Und dein Vater ist Alkoholiker, und darum bist du hier.«
    Mik trat einen Schritt zurück.
    »Das stimmt nicht.«
    »Alle wissen das«, sagte Filip. »Er ist in einer Klinik, und du bist hier. Wir wissen auch, dass deine Mutter tot ist und du ein Problemkind bist. In Stockholm gibt’s fast bloß Problemkinder.«
    »Ich hab keine Probleme«, sagte Mik.
    »Und warum bist du dann hier?«, fragte Oskar.
    Mik zuckte mit den Schultern.
    »Drei Minuten und fünf Sekunden«, sagte Filip. »Das glaub ich nicht.«
    »Parallelwelt, ja?«, fragte Oskar.
    Mik ließ den Blick vom einen zum andern wandern. Filip grinste, bückte sich und nahm einen Armvoll Schnee. Oskar ging eine Runde um Mik herum und musterte ihn, von Lenas hässlicher Mütze bis hinunter zu den Stiefeln. Die Raubtiere beschnupperten die Beute. Jetzt würde er eingeseift werden. Einen Eiszapfen ins Auge kriegen oder …
    Pi trat einen Schritt vor und stellte sich dicht neben ihn. Sie war einen Kopf größer als er und starrte in seine Augen hinab, sagte nichts, durchbohrte ihn bloß mit dem Blick. Mik fühlte sich schwach, würde aber

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