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Ihr Kriegt Mich Nicht!

Ihr Kriegt Mich Nicht!

Titel: Ihr Kriegt Mich Nicht! Kostenlos Bücher Online Lesen
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dem Kachelofen und heizte. Sie fütterte die Flammen mit Büchern. Buch um Buch warf sie hinein. Dann schloss sie die Messingklappen.
    »Gleich wird’s warm.«
    »Bücher?«
    »Ich hab sie gelesen, und ein Buch bedeutet nur was, solange man liest. Ein Buch ist was, das im Kopf stattfindet.«
    Lena hielt ein Buch hoch und fuhr fort: »Danach ist bloß Papier übrig. Außerdem brennen sie gut und geben warm.«
    »Woher hast du die vielen Bücher?«
    »Von meiner verrückten Mutter geerbt. Dreitausend Stück. Ich hab sie gezählt. Die werden den ganzen Winter über für Wärme sorgen.«
    »Hast du die alle gelesen?« Mik schaute sich um, zeigte auf die vielen Stapel und Kartons.
    »Nein, bei Weitem nicht. Aber viele sind ähnlich. Ein bisschen Mord, ein bisschen Liebe und so. Und manche sind einfach unter aller Kritik, die wandern gleich ins Feuer.«
    »Woher willst du das wissen, wenn du sie nicht gelesen hast?«
    »So was spürt man, wenn man ein Buch in der Hand hält. Hier, versuch’s mal.«
    Lena warf ihm ein Buch zu.
    »Gut oder schlecht?«
    Mik wog es in der Hand und sah an die Decke.
    »Schlecht.«
    »Wirf es in den Ofen.«
    Mik öffnete die Messingklappen und warf das Buch hinein. Die Seiten flatterten auf und entzündeten sich sofort. Eindeutig staubtrocken.
     
    Der Weg zur Schule war nicht weit. Erst den vereisten Hang zur Kreuzung hinunter, dann rechts die Landstraße entlang und über die Brücke. Wenn er sich beeilte, würde er es rechtzeitig schaffen. Zweiundzwanzig Grad minus. Lena hatte ihm eine große rote Steppjacke geliehen, eine hässliche Mütze und ein Paar alte Wollhandschuhe. Aus seinem Mund kamen Wolken. Die Kälte biss in Nase und Hals. Eine Frau auf einem Tretschlitten fuhr vorbei, dann ein Auto mit einem Anhänger voller Holz. Mik stapfte neben der Straße durch tiefen Schnee. Die Stiefel fühlten sich an wie große Panzer und waren mit doppelten Socken aufgefüllt. Wenn er zu Hause so etwas an den Füßen gehabt hätte, wäre er übel dran gewesen. Stinkstiefel. Stinktier. Stinkarsch.
    Er sah auf und blieb jäh stehen.
    Gustavssons Hund an der Laufleine glotzte Mik an und knurrte leise. Der große grauweiße Hund erinnerte an einen Wolf. Mik stand ganz still. Ihm war klar, dass er nicht zur Schule kommen würde. Er hasste Hunde, und das hier war der einzige Weg zur Brücke. Wie lang war die Leine? Welche Reichweite hatte sie? Konnte der Hund damit bis zur Brücke kommen? Sie starrten sich an. Prüfend und abwägend. Wenn er jetzt schnell die Straße überquerte und auf den Schneewall vor dem Bretterzaun hinaufsprang, würde es vielleicht klappen. Aber wenn nicht, steckte er am Bretterzaun in der Falle. Nein, der Wall war zu hoch, er würde es nicht schaffen.
    Unheimliche hellblaue Augen fixierten ihn und folgten jeder seiner Bewegungen. Aus der Kehle des Hundes drangen gurgelnde Laute, seine Lefzen zuckten. Mik fletschte die Zähne und sagte: »Schau her, was ich habe. Und was hast du? Du Angeber!«
    Mik zeigte ihm seine Stiefel.
     
    Die Zeit verging. Er würde zu spät kommen. Gleich am ersten Schultag zu spät. Mik gab sich einen Ruck und rannte los. Der Hund hetzte sofort hinter ihm her. Das Gebell schnitt ihm in die Ohren. Die Bestie würde ihn packen, ihn mit den Zähnen am Hals packen. Sie packten immer am Hals zu. Mik stolperte auf den Schneeberg hinauf. Er hörte das Kläffen und gleichzeitig den pfeifenden Ton der Laufleine. Er versank im Schnee. Der Schnee war eine Falle, er fiel hin und rollte auf die vereiste Straße. Rutschte aus und versuchte, schneller zu werden, aber seine Beine liefen im Leerlauf, und die Schenkelmuskeln begannen sich zu verkrampfen. Schon wieder rutschte er aus und fiel – Scheiße. Er wälzte sich auf den Rücken, hielt die Hände hoch. Schützte den Hals und spannte das Bein zu einem Fußtritt.Der Hund machte einen kraftvollen Satz und war genau über ihm.
    Jetzt würde er sterben. Mik starb den Hundetod.
    Dann ein peitschender Knall – das Untier wurde hart zurückgerissen. Es überschlug sich in der Luft und stieß ein ersticktes Winseln aus. So lang war also die Laufleine.
    Mik schob sich, auf die Ellbogen gestützt, nach hinten, stand auf und klopfte sich den Schnee von den Kleidern. Der Hund zog mit angelegten Ohren davon und warf noch einen Blick über den Rücken.
    »Scheißköter!«, rief Mik. »Verreck doch!«
     
    Alle Schüler saßen auf ihren Plätzen. Zwölf Schüler, von der Ersten bis zur Sechsten, die in ein und dieselbe Klasse

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